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Strenge Anforderungen für grunderwerbsteuerliche Anzeigepflichten

BFH bestätigt bisherige Rechtsprechung

Der BFH stellt in seiner Entscheidung vom 16.5.2023 (II R 35/20) abermals klar, dass für die ordnungsgemäße Erfüllung der grunderwerbsteuerlichen Anzeigepflichten im Rahmen der Festsetzungsverjährung strenge Maßstäbe gelten: Die Anzeigepflichten bestehen unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten der Anzeigepflichtigen. Ferner kann eine unzureichende Adressierung der Grunderwerbsteuerstelle zur Unwirksamkeit der Anzeige führen. Bei Nichtbeachtung der Vorgaben für die grunderwerbsteuerlichen Anzeigepflichten drohen aufgrund der Anlaufhemmung längere Festsetzungszeiträume.

 

I. Zum Sachverhalt

Streitig war der Eintritt der Festsetzungsverjährung. 

Dem Kläger wurden mit notariellem Vertrag vom 3.2.2009 Anteile iHv. 42,31 % an einer grundbesitzenden GmbH zugewendet. Dies führte zu einer Anteilsvereinigung von 100 %. Die diesbezügliche Anzeige des Notars, adressiert an die Körperschaftsteuerstelle, ging am 13.2.2009 beim Finanzamt ein. Ein Hinweis auf Grundbesitz der GmbH oder eine Bitte um Weiterleitung an die Grunderwerbsteuerstelle war der Anzeige nicht beigefügt worden. Der Kläger zeigte den Erwerb nicht an. Ausgelöst durch eine Veräußerung der GmbH-Anteile im Jahr 2017 setzte das Finanzamt am 4.8.2017 Grunderwerbsteuer für die Anteilsvereinigung am 3.2.2009 wegen eines Erwerbsvorgangs iSd. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fest. 

 

II. Würdigung des BFH

Nach Ansicht des BFH waren die Voraussetzungen der dreijährigen Anlaufhemmung 
iSd. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erfüllt, da keine wirksame Anzeige beim Finanzamt eingereicht worden sei:

Der Kläger kam seiner Anzeigepflicht aus § 19 GrEStG nicht nach. Dem von der Klägerseite vorgetragenen Argument der fehlenden Kenntnis von der Anzeigepflicht hat der BFH im Rahmen des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO keine Bedeutung beigemessen: Die Anzeigepflicht sei objektiver Natur und bestehe unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten.

Der Notar habe den Vorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt, weil er die Anzeige nur an die Körperschaftsteuerstelle adressiert habe. Der BFH fordert iRd. § 18 Abs. 5 GrEStG, dass die Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts übermittelt wird oder sich zumindest nach ihrem Inhalt eindeutig an die Grunderwerbsteuerstelle richtet. Dazu sei es erforderlich, dass die Anzeige als eine solche nach dem Grunderwerbsteuergesetz gekennzeichnet ist und ihrem Inhalt nach ohne weitere Sachprüfung an die Grunderwerbsteuerstelle weiterzuleiten ist (st. Rspr. BFH vom 22.5.2019 II R 24/16, BStBl. II 2020, 157 mwN). Schädlich sei es, wenn es erst einer näheren Aufklärung über den Anlass der Anzeige und ihre grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz bedürfe.

 

III. Anmerkung

Der BFH hält an seiner strengen Rechtsprechung zur Erfüllung der Anzeigepflichten 
nach § 18 f. GrEStG fest. Mit Blick auf die Komplexität des Anzeigerechts im Grunderwerbsteuergesetz besteht ein erhöhtes Risiko für Pflichtverstöße mit der Folge eines hinausgeschobenen Beginns der Festsetzungsfrist.

1. Katalog an Anzeigepflichten 

Den Steuerschuldner treffen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 9, Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 5 GrEStG zahlreiche Anzeigepflichten. So lösen zB Änderungen im Gesellschafterbestand von grundbesitzenden Personengesellschaften iSd. § 1 Abs. 2a GrEStG oder grundbesitzenden Kapitalgesellschaften iSd. § 1 Abs. 2b GrEStG Anzeigepflichten aus (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a und Nr. 3b GrEStG). 

2. Mögliche „Doppelverpflichtung“

Die Pflichten bestehen unabhängig davon, ob ein Gericht, eine Behörde oder ein Notar zur Anzeige verpflichtet ist (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Im entschiedenen Fall waren hinsichtlich der Anteilsvereinigung iSd. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sowohl der Steuerschuldner (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG) als auch der Notar (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG) jeweils zur Anzeige verpflichtet. Für den Steuerpflichtigen kann eine derartige „Doppelverpflichtung“ trügerisch sein. Weist zB der Notar im Beurkundungstermin auf die durch ihn erfolgende Übermittlung einer Abschrift des Vertrags an das Finanzamt hin, ist der Eindruck schnell erweckt, dass ein eigenes Tätigwerden nicht erforderlich sei.

3. Gefahr bei „blindem Vertrauen“ 

Zwar führt die ordnungsgemäße Anzeige eines Verpflichteten dazu, dass die Nichterfüllung der Anzeigepflicht des anderen Verpflichteten die Festsetzungsfrist nicht mehr hinausschiebt (BFH vom 6.7.2005 II R 9/04, BStBl. II 2005, 780). 

Wie das dargestellte Urteil verdeutlicht, sollte sich der Steuerpflichtige aber keinesfalls auf die Pflichtenerfüllung des Dritten verlassen. So führen zB die dargestellten Adressierungsfehler zur Unwirksamkeit der Anzeige des Dritten. Ferner muss die Anzeige des Dritten inhaltlich den Anforderungen des § 20 GrEStG genügen. Der Steuerpflichtige kann die Ordnungsgemäßheit der Anzeige des Dritten regelmäßig nicht prüfen. Ihm wird der Inhalt der Anzeige des Dritten sowie die Einzelheiten des Übermittlungsvorgangs in der Praxis selten zuteil. Den Dritten trifft gegenüber dem Steuerpflichtigen keine diesbezügliche Unterrichtungspflicht.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die Rechtsprechung des BFH zur objektiven Natur der Anzeigepflichten. Die fehlende Kenntnis des Steuerpflichtigen von seinen grunderwerbsteuerlichen Anzeigepflichten verhindert hiernach nicht, dass der Beginn der Festsetzungsverjährung zunächst drei Jahre gehemmt wird. Gleichwohl kann das Argument der Unkenntnis im Verjährungsrecht lohnen, wenn dem Steuerpflichtigen eine leichtfertige Steuerverkürzung bzw. Steuerhinterziehung mit der Folge einer verlängerten Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO vorgeworfen wird. Hier sind die individuellen Fähigkeiten des Steuerpflichtigen auf subjektiver Tatbestandsebene zu berücksichtigen (s. bereits Steuerblog vom 17.11.2023).

 

Beraterhinweis

Es gilt abermals der Hinweis aus unserem Newsletter vom 7.12.2023 zur drohenden Doppelbelastung durch neue Erlasse im Grunderwerbsteuerrecht:

Im Zusammenhang mit Erwerbsvorgängen iSd. GrEStG sollte stets sorgsam geprüft werden, ob den Mandanten eigene Anzeigepflichten iSd. § 19 GrEStG gegenüber dem Finanzamt treffen. Fallen Anzeigepflichten Dritter nach § 18 GrEStG mit Anzeigepflichten des Mandanten zusammen, ist eine Aufklärung über das Fortbestehen der Pflichten des Mandanten ratsam. Andernfalls droht der Beginn der Festsetzungsfrist um drei Jahre hinausgeschoben zu werden.
 

Dr. Alexander Ruske
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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