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Tax Compliance: BMJV veröffentlicht Referentenentwurf zum Verbandssanktionengesetz

Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel der Schaffung eines Unternehmensstrafrechts rückt mit dem am 20.4.2020 nun auch offiziell veröffentlichten Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, dessen Art. 1 das sog. Verbandssanktionengesetz (VerSanG) beinhaltet, näher. Ein erster Entwurf, damals noch als „Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ bezeichnet, kursierte inoffiziell bereits seit August 2019.

Das neue Verbandssanktionengesetz (VerSanG) soll die Sanktionierung von juristischen Personen, nicht rechtsfähigen Vereinen und rechtsfähigen Personengesellschaften (Verbände), deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage stellen, sie dem Legalitätsprinzip unterwerfen und eine angemessene Ahndung von sog. Verbandstaten ermöglichen. Zugleich sollen Compliance-Maßnahmen gefördert und Anreize geboten werden, dass Unternehmen mit internen Untersuchungen zur Aufklärung begangener Straftaten beitragen. Denn bisher können Straftaten von Verbänden nur mit einer Geldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (s. § 30 OWiG) geahndet werden. Eine angemessene Reaktion auf Unternehmenskriminalität sei damit aus Sicht des Gesetzgebers nicht möglich: Die Höchstgrenze einer solchen Verbandsgeldbuße von zehn Millionen Euro gelte unabhängig von der Verbandsgröße und Ertragskraft; die Verfolgung von Unternehmensstraftaten stehe im Ermessen der zuständigen Behörden und führe daher zu uneinheitlicher Ahndung; Verbandstaten deutscher Unternehmen im Ausland seien bisher gar nicht verfolgbar; zudem fehle es an nachvollziehbaren Strafzumessungsregelungen.

Im Kern statuiert der Gesetzesentwurf folgende Rahmenbedingungen:
Eine Verbandstat ist eine Straftat, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte. Dies soll unter bestimmten Bedingungen auch für Auslandstaten gelten. Eine Verbandssanktion soll nicht nur dann verhängt werden, wenn eine Leitungsperson des Verbandes eine Verbandstat begangen hat, sondern auch wenn sonst jemand in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Verbands eine Verbandstat begeht und die Leitungspersonen objektiv keine ausreichenden Vorkehrungen zur Vermeidung oder auch nur zur Erschwerung der Tat getroffen haben. Vorsatz oder Fahrlässigkeit der Leitungsperson ist in letzterem Fall in Abkehr von § 130 OWiG nicht erforderlich. Erhebliche Strafmilderungen – zB Halbierung der Bußgeldrahmens – sollen sich Verbände jedoch verdienen können, wenn beispielsweise aufgrund der Implementierung von (Tax) Compliance Systemen zu erwarten ist, dass Verbandstaten in Zukunft vermieden oder wesentlich erschwert werden, oder indem Verbände mit den Behörden zusammenarbeiten und diese bei der Aufklärung der Straftaten unterstützen. Verfahrensrechtlich sind neben der Einführung des Legalitätsprinzips mit Blick auf die neue Rolle des Verbands als Beschuldigter Anpassungen vorgesehen, die auch die Verteidigung betreffen, zB im Kontext des Schweigerechts, des Beschlagnahmeverbots, der sog. Mehrfachvertretung oder der Einstellungsmöglichkeiten. Schließlich sieht der Gesetzesentwurf die Errichtung eines Verbandssanktionenregisters vor.

Der neue Entwurf ist – vermutlich als Reaktion auf die zwischenzeitlich geübte Kritik – etwas unternehmensfreundlicher ausgestaltet. Während der Entwurf aus August 2019 als Sanktion neben der Verbandsgeldsanktion und der (milderen) Verwarnung mit Geldsanktionsvorbehalt noch die Auflösung des Verbandes vorsah, wird nunmehr – aus Verhältnismäßigkeitsgründen – auf die Auflösungsmöglichkeit verzichtet. Der Anwendungsbereich des Gesetzes wurde im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung auf Verbände beschränkt, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Insbesondere durch ehrenamtliches Engagement gekennzeichnete gemeinnützige Organisationen wurden bewusst ausgenommen. Hier erachtet der Gesetzgeber die Regelungen des durch das Opportunitätsprinzip geprägte OWiG, das weiterhin parallel Anwendung finden soll, für ausreichend und flexibler. Das Ermessen des Gerichts in Bezug auf eine Sanktionsmilderung wurde eingeschränkt – „soll“ statt „kann“ –, wenn eine verbandsinterne Untersuchung durchgeführt wurde (§ 17 VerSanG-E). Auch sprachlich wurden Glättungen vorgenommen. Dies ist nicht nur an dem neuen Titel des Gesetzes zu erkennen, sondern beispielsweise auch daran, dass nicht mehr von „Verbandsstraftat“, sondern nur noch von „Verbandstat“ die Rede ist.

Interessant im Kontext des Steuerstrafrechts: Gemäß § 5 Nr. 1 VerSanG-E sind Verbandssanktionen ausgeschlossen, sofern die zugrundeliegende Verbandstat nicht mehr verfolgt werden kann. Dies wäre zB der Fall, wenn eine wirksame strafbefreiende Selbstanzeige iSd. § 371 AO abgegeben wurde. Außerdem werden auch für die Verfolgung der Verbandes die Straf- und Bußgeldsachenstellen der Finanzverwaltung zuständig sein.

Beratungshinweis: Das Gesetz – sollte es in Kraft treten – wird auch in Steuerstrafverfahren erhebliche Bedeutung haben und die Strafverfolgungspraxis bei betroffenen Unternehmenssteuern deutlich verändern. Ermittlungsverfahren gegen Verbände bei Verdacht der Steuerhinterziehung werden zwingend. Praxiserprobte Mechanismen der Beendigung von Strafverfahren im Spannungsfeld von Straf- und Besteuerungsverfahren werden neue Facetten erhalten. Unabhängig hiervon: Wer sodann kein Tax Compliance System vorweisen kann, wird dies möglicherweise teuer bezahlen müssen. Das Gesetz sieht eine „Schonfrist“ bis zu dessen Inkrafttreten von rund zwei Jahren vor; ein deutliches Signal an die Unternehmen, spätestens jetzt die erforderlichen Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.

 

Dr. Peter Talaska
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Cathrin Hermanns
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Wissenschaftliche Mitarbeiterin