Zehnt – der Steuerblog

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Wiedereinsetzungsfreundliche BFH-Rechtsprechung bei Fristversäumnis per beA und beSt

In einem jüngsten, noch nicht veröffentlichen Beschluss bestätigt der BFH seine bisherige wiedereinsetzungsfreundliche Rechtsprechung bei Fristversäumnis. Er überträgt darin die Grundsätze zur prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts auch auf die Nutzungspflicht per beA. Dies gilt uE auch für die seit dem 1.1.2023 bestehende Nutzungspflicht per beSt. 

Was war passiert? Der Prozessbevollmächtigte war eine Partnerschaftsgesellschaft mbB (Partnerschaft) bestehend aus Steuerberatern und Rechtsanwälten. Die Partnerschaft agierte im Streitfall durch einen Berufsträger mit Doppelzulassung als Rechtsanwalt und Steuerberater. Gegen das klageabweisende FG-Urteil erhob die Partnerschaft durch diesen Berufsträger per Telefax die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) beim BFH, und zwar 8 Tage vor Fristablauf. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch keine elektronische Übersendungspflicht für Steuerberater per beSt, jedoch eine elektronische Übersendungspflicht für Rechtsanwälte per beA. Erst nach Fristablauf teilte die Geschäftsstelle des BFH sodann der Partnerschaft mit, dass für Rechtsanwälte eine Nutzungspflicht per beA bestünde. Daraufhin übermittelte die Partnerschaft unverzüglich die NZB per beA an den BFH. Die Partnerschaft beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf ein (vermeintliches) Fristversäumnis der Einreichung der NZB per beA. 

Diesem Wiedereinsetzungsantrag gab der BFH statt mit der Folge, dass die NZB zulässig war. 

Zur Begründung verweist der BFH ua. auf seinen BFH-Beschluss vom 12.7.2017 (X B 16/17, BFHE 257, 523). Danach kann ein Prozessbeteiligter erwarten, dass offenkundige Versehen von dem angerufenen Gericht in angemessener Zeit bemerkt und als Folge der prozessualen Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumung zu vermeiden. Dies gilt unabhängig davon, auf welchen Gründen der Fehler bei der Einreichung des Schriftsatzes beruht. Wäre hier im Streitfall, so der BFH ausdrücklich, die oa. Nachricht der Geschäftsstelle des BFH an die Partnerschaft noch innerhalb des gewöhnlichen Geschäftsgangs erfolgt, hier also vor Ablauf der NZB-Frist, hätte die Partnerschaft noch ausreichend Zeit zur Einhaltung der elektronischen Form gehabt. Auf die Fragen, ob hier tatsächlich eine elektronische Übermittlungspflicht bestand, sowie einer etwaigen unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung durch das Finanzgericht, ist der BFH im Streitfall nicht mehr eingegangen, da unabhängig davon der Wiedereinsetzungsantrag aus den vorgenannten Gründen Erfolg hatte.

Beraterhinweise: Auch bei vermeintlichen Fristversäumnissen im Zusammenhang mit der elektronischen Übersendungspflicht per beA für Rechtsanwälte – und seit dem 1.1.2023 – per beSt für Steuerberater sollten die Möglichkeiten einer Wiedereinsetzung stets unverzüglich nach Kenntnis des vermeintlichen Fehlers überprüft werden. Nicht selten bestehen Erfolgsaussichten. Der jüngste BFH-Beschluss ist Beleg dafür. 

Mehr zur Nutzungspflicht per beSt finden Sie in unserem Newsletter vom 30.6.2023 und Newsletter vom 7.9.2023.
 

Cristian Esteves Gomes
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Giuseppe Vitale
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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