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BFH zur Wiedereinsetzung - auch im Hinblick auf das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt)

Der BFH hatte vor Kurzem gleich zwei Entscheidungen zur Wiedereinsetzung veröffentlicht: Im Beschluss vom 5.4.2023 I B 98/21 äußerte er sich zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nach § 110 AO und im Beschluss vom 28.4.2023 XI B 101/22 zu den Anforderungen an einen Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 56 FGO im Zusammenhang mit dem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt).

In der Praxis werden die Finanzbehörden und Finanzgerichte dafür kritisiert, dass sie bei der Verschuldensprüfung – jedenfalls nach dem Rechtsempfinden des Bürgers – außerordentliche Strenge walten lassen. Denn obwohl die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung nach Ansicht des BVerfG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG vom 25.11.1994 2 BvR 852/93, NJW 1995, 711; BVerfG vom 2.9.2002 1 BvR 476/01, BStBl. II 2002, 835), sprechen die Zahlen eine andere Sprache: Nur 4 - 10 % der Wiedereinsetzungsanträge in gerichtlichen Verfahren haben Erfolg.

I.    Zur Darlegung des zeitlichen Ablaufs in einem Wiedereinsetzungsantrag

Dem Zurückweisungsbeschluss des BFH vom 5.4.2023 I B 98/21 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin erhob mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten verspätet Einspruch gegen einen Körperschaftsteuerbescheid und beantragte wegen der Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO. Zur Begründung führte sie aus, die Versäumung der Frist habe auf einem Büroversehen in der Kanzlei ihrer Bevollmächtigten beruht. Die für die Versendung des Einspruchsschreibens zuständige und ansonsten zuverlässige Sekretärin habe das Einspruchsschreiben vor Einholung der Zweitunterschrift nicht versandt, sondern versehentlich in der Gesellschaftsakte abgelegt. Mit der Einspruchsentscheidung verwarf das FA den Einspruch der Klägerin wegen verspäteter Einlegung als unzulässig; dem Wiedereinsetzungsantrag wurde nicht stattgegeben. Die dagegen erhobene Klage hat das FG München mit Urteil vom 22.11.2021 7 K 1778/20 als unbegründet abgewiesen.

Nach Ansicht des BFH muss innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 AO nicht nur dargelegt werden, warum die Frist unverschuldet versäumt wurde, sondern auch, dass die Frist von einem Monat zur Antragstellung gewahrt ist. Demnach müssen die Umstände vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller die Wiedereinsetzung rechtzeitig nach Behebung des Hindernisses beantragt hat.

Die Bevollmächtigten legten in dem entschiedenen Fall zwar die Umstände für den Wegfall des Hindernisses dar, die Monatsfrist für die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags (§ 110 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO) wurde dennoch als nicht gewahrt angesehen, weil die Bevollmächtigten innerhalb dieser Frist nicht dargetan hätten, wann der für die Berechnung der Antragsfrist maßgebliche Zeitpunkt des „Wegfall(s) des Hindernisses“ iSv. § 110 Abs. 2 Satz 1 AO gewesen war. Mangels Darstellung der Zeitabläufe blieb der Wiedereinsetzungsantrag erfolglos.

II.    Zur Darlegung des fehlenden Verschuldens im Zusammenhang mit der (unterlassenen) Nutzung des beSt

In dem zweiten Verfahren des BFH vom 28.4.2023 XI B 101/22 ging im Januar 2023 beim BFH die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung eines Steuerberaters per Telefax ein. Nach einem Hinweis der Geschäftsstelle, dass die Beschwerdebegründung seit dem 1.1.2023 als elektronisches Dokument übermittelt werden muss, ließ der Steuerberater durch einen Rechtsanwalt im Februar 2023 die Begründung in elektronischer Form vorlegen und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO. Zur Begründung trug der Steuerberater vor, dass er die Beschwerdebegründung elektronisch nicht übermitteln konnte, weil die Einrichtung seines beSt durch die zuständige Steuerberaterkammer noch nicht erfolgt war. Dem Antrag war ein Schreiben der Steuerberaterkammer von September 2022 beigefügt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass für Steuerberater, die aktiv in die finanzgerichtliche Kommunikation eingebunden sind, die Möglichkeit besteht, sich für eine Priorisierung („fast lane“) anzumelden. Weshalb die Anmeldung für die „fast lane“ nicht erfolgt ist, ließ der Steuerberater offen.

Der XI. Senat des BFH ist der Ansicht, es bestehe trotz fehlender individueller Zugangsdaten ab dem 1.1.2023 eine gesetzliche Pflicht zur Nutzung des beSt und verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig, weil die Beschwerdebegründung verspätet in elektronischer Form übermittelt worden sei. Eine Nachreichung in elektronischer Form könne zwar im Rahmen eines Antrags nach § 56 FGO Berücksichtigung finden, im konkreten Fall lehnte der BFH die beantragte Wiedereinsetzung aber ab. Denn hierfür müssten die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen, vollständig dargelegt werden. Dies sei nicht geschehen, denn es fehle Vortrag und eine Erklärung dazu, weshalb von der (aufgrund des Hinweises bekannten) „fast lane“ kein Gebrauch gemacht werden konnte.

III.    Fazit zu den Anforderungen an eine Wiedereinsetzung

Im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags gegenüber dem Finanzamt ist innerhalb der Monatsfrist der für die Berechnung der Antragsfrist maßgebliche Zeitpunkt des „Wegfall(s) des Hindernisses“ iSv. § 110 Abs. 2 Satz 1 AO darzutun. Gleiches gilt bei Anträgen gegenüber dem Finanzgericht, allerdings beträgt die Frist hier lediglich zwei Wochen (vgl. § 56 Abs. 2 FGO – Vorsicht Falle!). Die gerichtliche Wiedereinsetzung ist an hohe Erfordernisse geknüpft. Soweit ein Fristversäumnis einritt, sollte sofort und gewissenhaft am Wiedereinsetzungsantrag gearbeitet werden. Besonders wichtig ist die Vollständigkeit und die Glaubhaftmachung des fehlenden Verschuldens. Der Antrag kann insoweit nicht umfangreich und detailliert genug sein. Mittel der Glaubhaftmachung sind im Regelfall Versicherungen an Eides statt vom Berufsträger und den mit dem Vorgang befassten Mitarbeitern, die zwingend zu unterschreiben und binnen der benannten Frist im Original der Finanzverwaltung bzw. dem Finanzgericht vorzulegen sind. Soweit der Wiedereinsetzungsantrag im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens erfolgt, ist dieser unbedingt über das beSt einzureichen, um nicht an dieser „technischen Hürde“ zu scheitern.

IV.    Anmerkungen zur Nutzung des beSt

Die Auffassung des XI. Senats des BFH zur umfassenden Nutzungspflicht des beSt seit dem 1.1.2023 ist durchaus kritisch zu sehen. Einige Finanzgerichte kommen in neueren Entscheidungen zu abweichenden Ergebnissen (vgl. etwa FG Münster vom 14.4.2023 - 7 K 86/23 E; Hessisches FG vom 21.3.2023 - 10 V 67/23; gleicher Ansicht wie der BFH allerdings FG Niedersachsen vom 25.4.2023 – 3 K 22/33). Richtigerweise dürfen technische Hindernisse aufgrund struktureller Mängel nicht zulasten des Beraters gehen. Eine aktive Nutzungspflicht des beSt setzt die konkrete Verfügbarkeit der technischen Infrastruktur voraus, welche erst mit der Übersendung des Registrierungstokens durch die Bundessteuerberaterkammer besteht. Die Übermittlung dieser Daten liegt in der hoheitlichen Sphäre des Betreibers, weshalb das Gesetz so ausgelegt werden sollte, dass das beSt ohne Übermittlung des Registrierungstokens nicht iSd. § 52d Satz 2 FGO „zur Verfügung steht“. Vgl hierzu bereits die Beiträge von Dr. Martin Wulf und Florian Hischer.
 

 

Dr. Martin Wulf
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Giuseppe Vitale
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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