Zehnt – der Steuerblog

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Neue Gefahren für den Steuerberater: Leistungsverweigerungsrecht des Mandanten wegen Corona

Aufgrund der Corona-Krise wurden die ersten gesetzlichen Änderungen beschlossen, die tiefgreifend in unser Rechtssystem eingreifen. Mit weiteren Gesetzesänderungen ist zu rechnen. An dieser Stelle wollen wir das neue Leistungsverweigerungsrecht nach Art. 240 EGBGB hervorheben, das auch für den Steuerberater weitreichende Folgen hat.

Am 25.3.2020 haben der Bundestag und der Bundesrat das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ beschlossen. Es ist zwischenzeitlich ausgefertigt und wird am 1.4.2020 in Kraft treten.

Art. 240 EGBGB enthält ein neues Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmer. Betroffen sind alle Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 8.3.2020 abgeschlossen wurden. Das Leistungsverweigerungsrecht ist zunächst bis zum 30.6.2020 begrenzt. Das Leistungsverweigerungsrecht lässt die zugrundeliegende Schuld nicht untergehen. Der Schuldner muss aber zunächst nicht bezahlen. Nach Wegfall des Leistungsverweigerungsrechts kann der Gläubiger wieder seinen Forderung in voller Höhe geltend machen. Wenn dann der Schuldner noch existiert und wieder leistungsfähig ist.

Bei Verbrauchern ist das Leistungsverweigerungsrecht begrenzt auf Dauerschuldverhältnisse, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind. Steuerberatungsleistungen gegenüber Verbrauchern (zB Einkommensteuererklärung) werden daher nicht von diesem neuen Leistungsverweigerungsrecht betroffen sein.

Anders bei Kleinstunternehmern (weniger als zehn Mitarbeiter und Bilanzsumme/Umsatz kleiner als € 2 Mio.). Hier ist der Kreis der erfassten Dauerschuldverhältnisse weitergefasst. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht bei allen Dauerschuldverhältnissen, die „zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind“. Dies wird bei der Buchhaltung, Lohnbuchhaltung, den LSt-Anmeldungen und USt-Voranmeldungen der Fall sein. Je nach Vertragsgestaltung kann auch die laufende steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung erfasst sein.

Hier hat der Mandant ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn in Folge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind,

  • das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder
  • dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.

Der Gesetzgeber stellt den Gläubiger (hier Steuerberater) nicht (ganz) schutzlos. Vielmehr gilt das Leistungsverweigerungsrecht nicht, wenn es für den Gläubiger seinerseits „unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung zu einer Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder der wirtschaftlichen Grundlage seines Gewerbebetriebs führen würde“.

In diesem Fall steht dem Schuldner das Recht zur Kündigung zu.

Dieses Regelausnahmesystem ist leider sehr streitanfällig und wird sicherlich dazu führen, dass der Mandant zunächst seine Leistungen verweigert. Eine gerichtliche Klärung wird nicht kurzfristig herbeigeführt werden können.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der Steuerberater bei seinen kritischen Mandaten reagiert. Weiterhin zulässig ist es, im Rahmen des Bargeschäfts nach § 142 InsO gegen Vorkasse tätig zu werden (angemessene Vergütung für eine Tätigkeit in den kommenden drei Wochen). Möglich bleibt auch die Zahlung durch Dritte (zB Ehegatten), sofern nicht dort ein Insolvenzrisiko besteht. Schließlich besteht die Möglichkeit, einen neuen Vertrag abzuschließen, der dann nicht unter die neue gesetzliche Regelung fällt. Das Leistungsverweigerungsrecht gilt nämlich nur für Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 8.3.2020 abgeschlossen wurden.

Dr. Klaus Olbing
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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