Zehnt – der Steuerblog

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BFH verneint gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos bei rechtsfähigen Stiftungen

Unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften haben die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf dem steuerlichen Einlagekonto auszuweisen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 KStG). Dies gilt auch für andere unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen, die Dividenden oder vergleichbare Gewinne ausschütten können (§ 27 Abs. 7 KStG). Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs gesondert festgestellt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 KStG). 

Das steuerliche Einlagekonto stellt sicher, dass die von den Anteilseignern erbrachten Einlagen klar von dem durch die Körperschaft oder Personenvereinigung selbst erwirtschafteten Gewinn dargestellt und separiert werden. So stellen Auskehrungen aus dem steuerlichen Einlagekonto auf der Ebene der Anteilseigner keine steuerpflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen dar; es handelt sich vielmehr um eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).

Im Hinblick auf die Einbeziehung von Stiftungen in den Anwendungsbereich und den Dunstkreis des steuerlichen Einlagekontos vertraten bislang verschiedene Finanzgerichte und die herrschende Literaturmeinung die Auffassung, dass der relevante § 27 Abs. 7 KStG auch rechtsfähige private Stiftungen erfasst. Der Grund liegt insbesondere darin, dass Stiftungen an ihre Destinatäre steuerpflichtige Leistungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG (Hinweis: der wiederum auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG Bezug nimmt) erbringen können. 

Der BFH hat nun jedoch in zwei jüngst veröffentlichten Urteilen vom 17.5.2023 (I R 42/19 und I R 46/21) entschieden, dass für rechtsfähige private Stiftungen keine den Anforderungen des § 179 Abs. 1 AO genügende Rechtsgrundlage zur gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos existiert: Eine Stiftung ist weder eine Kapitalgesellschaft iSd. § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG noch eine Körperschaft oder Personenvereinigung iSd. § 27 Abs. 7 KStG. Sie stellt vielmehr – mangels einer möglichen Vermögensbeteiligung der Destinatäre oder der Einräumung von Mitgliedschaftsrechten – eine Vermögensmasse dar, die explizit nicht von § 27 Abs. 7 KStG erfasst wird (Rz. 14-15). Aufgrund des klaren Wortlauts des § 27 Abs. 7 KStG und mangels einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke kommt nach Auffassung des BFH auch keine erweiternde Auslegung und Anwendung der Vorschrift auf rechtsfähige private Stiftungen in Betracht (Rz. 18 ff.).

Praxishinweis:
Aufgrund der Nichteinbeziehung von Stiftungen in den Anwendungsbereich des § 27 Abs. 7 KStG müssen diese nicht mehr nach § 27 Abs. 2 Satz 4 KStG eine jährliche Erklärung zur gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos abgeben.

Für eine Nichtsteuerbarkeit der Auskehr von Stiftungsvermögen an die Destinatäre einer Stiftung bleibt eine wichtige Hintertür geöffnet: Um für diese die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG und damit eine mögliche Steuerfreiheit der Bezüge aus dem Stiftungsvermögen zu erreichen, bedarf es nicht zwingend einer gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos (so auch der BFH in seinen Urteilen, Rz. 21). Wie auch bei Gewinnausschüttungen von Drittstaatenkapitalgesellschaften an inländische Anteilseigner kann (und muss!) im Rahmen des Veranlagungsverfahrens der Destinatäre geklärt werden, ob Bezüge aus der Stiftung mit Gewinnausschüttungen iSd. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind und damit gem. § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 EStG beim Destinatär steuerpflichtig sind oder ob es sich um eine nach § 20 Abs. Nr. 1 Satz 3 EStG nicht steuerbare Auskehr von Stiftungsvermögen handelt (s. hierzu auch Rz. 21, 24). Insofern ist im Veranlagungsverfahren der Destinatäre besonderes Augenmerk auf die Prüfung der möglichen Besteuerung der Bezüge aus der Stiftung zu legen.
 

Dr. Jörg Alvermann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Sportrecht
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Dr. Oliver Cremers
Rechtsanwalt
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