Zehnt – der Steuerblog

Bleiben Sie informiert über aktuelle Entwicklungen in steuer- und steuerstrafrechtlicher Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur.

 

Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schweden lässt deutsches Besteuerungsrecht auferstehen (BFH 24.5.2023 II R 27-29/20)

1. Bei der Tsunamikatastrophe in Thailand am 26.12.2004 starben viele schwedische Staatsangehörige. Schweden zog deshalb die für den 1.1.2005 geplante Aufhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf den 17.12.2004 vor. Das deutsch/schwedische Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wurde im Hinblick auf Erbschaft- und Schenkungsteuerfälle jedoch nicht angepasst. Es versagt dem deutschen Fiskus in bestimmten Konstellationen das Recht zur Erhebung von Schenkungsteuer (und Erbschaftsteuer). Der BFH wies in seinen Urteilen vom 24.5.2023 (II R 27-29/20) dem deutschen Fiskus dennoch das Besteuerungsrecht zu.

2. Den Urteilen lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Vater der Kläger hatte sowohl in Deutschland als auch in Schweden einen Wohnsitz und schenkte seinen nicht in Deutschland ansässigen Kindern (Kläger) Aktien an einer schwedischen AG. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen lag zum Zeitpunkt der Schenkung unstreitig in Schweden.

3. Das deutsche Finanzamt nahm aufgrund des Wohnsitzes eine unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) ErbStG) in Deutschland an und setzte Schenkungsteuer fest. Hiergegen wendete sich die Kläger und argumentierten, ein Besteuerungsrecht Deutschlands läge aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit Schweden und der dortigen Ansässigkeit des Vaters (Lebensmittelpunkt) nicht vor. Da Schweden keine Schenkungsteuer erhebe, sei der Erwerb insgesamt steuerfrei. So sah dies auch das Finanzgericht Baden-Württemberg (Urteile vom 5.8.2020 7 K 2777-2779/18) in erster Instanz. Der BFH hob diese Urteile auf und bestätigte die Besteuerung durch das deutsche Finanzamt.

4. Rechtlich lagen folgende Überlegungen zugrunde: Der BFH sieht Deutschland nach dem DBA als Ansässigkeitsstaat zur Besteuerung der Erwerbe berechtigt. Der in Deutschland bestehende Wohnsitz begründet die Ansässigkeit des Schenkers. Er sei nicht gleichzeitig in Schweden ansässig. Dies scheitere an einer dort nicht bestehenden Steuerpflicht im Hinblick auf die Schenkung. Hätte eine solche Doppelansässigkeit vorgelegen, so hätte das DBA nach Art. 4 Abs. 2 lit. a) Schweden aufgrund des dortigen Lebensmittelpunkts des Schenkers als Ansässigkeitsstaat behandelt und diesem nach Art. 24 Abs. 3 das alleinige Besteuerungsrecht für den Aktienerwerb zugewiesen.

Das Urteil argumentiert eng am Wortlaut des Abkommens. Danach liegt eine Ansässigkeit in Schweden nur vor, wenn der Schenker aufgrund seines Wohnsitzes oder seines ständigen Aufenthalts dort (schenkung-)steuerpflichtig ist (Art. 4 Abs. 1 lit. b) DBA). Die Abschaffung der Schenkungsteuer in Schweden stehe dem entgegen. Anders als die Vorinstanz und die überwiegende Literatur lässt der BFH das bloße Innehaben eines Wohnsitzes oder ständigen Aufenthalts zur Begründung einer Ansässigkeit nicht genügen. Die vom Abkommen verlangte Steuerpflicht bestünde nur dann, wenn ein Schenkungsteuergesetz in Schweden tatsächlich existiere.

Anders sah dies der I. Senat des BFH in einem ähnlich gelagerten ertragsteuerlichen Fall (Urteil vom 6.6.2012 I R 52/11, BStBl. II 2014, 240). Dort folgte die Steuerfreiheit allerdings nicht aus dem Fehlen eines Gesetzes, sondern einer darin vorgesehenen Steuerbefreiung. Weshalb die beiden Fälle unterschiedlich zu behandeln sind, legt der zweite Senat in seinem aktuellen Urteil nicht überzeugend dar.

5. Der BFH geht davon aus, dass die Regelungen des DBAs an sich auch nach Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schwende weiterhin gelten. Sollte der Gesetzgeber dies nicht mehr wünschen und Rechtssicherheit herbeiführen wollen, müsste er das DBA – wie das Erbschaftsteuer-DBA mit Österreich nach der dortigen Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer – aufkündigen und das nationale Zustimmungsgesetz aufheben.
 

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Partner
LinkedIn
Dr. Tim Walter
Rechtsanwalt
Associate
LinkedIn