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Risiko Sozialversicherungspflicht des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers: Ausweg über die Aktiengesellschaft?

In den letzten Jahren wird in den sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfungen der Rentenversicherung gezielt die Frage der Sozialversicherungspflicht von solchen GmbH-Geschäftsführern unter die Lupe genommen, die lediglich eine Minderheitsbeteiligung halten. Hintergrund ist eine Entscheidung des BSG (vom 19.9.2019 B 12 R 25/18 R, NZS 2020, 183), wonach die Rentenversicherungsträger zwar weiterhin bei der Definition des Gegenstands einer Betriebsprüfung frei sind; die Betriebsprüfung muss sich nach dieser Entscheidung allerdings zwingend auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers und eben den geschäftsführenden GmbH-Gesellschafter erstrecken. 

Nach Aufgabe der „Kopf-und-Seele“-Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seit dem Jahr 2012 kommt es für die Statusbeurteilung des geschäftsführenden GmbH-Gesellschafters mittlerweile allein darauf an, ob ihm eine Rechtsmacht zukommt, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist nur dann gegeben, wenn ein Gesellschafter mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält, wenn er exakt 50 % der Anteile hält, oder wenn im Gesellschaftsvertrag eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist (BSG vom 14.3.2018 B 12 KR 13/17 R, BSGE 125, 183 ff; vom 1.2.2022 B 12 KR 37/19, DStR 2022, 1624).

Werden die Fälle des Minderheitsgeschäftsführers ohne Sperrminorität aufgegriffen, droht eine Beitragsnachzahlung rückwirkend für idR vier Jahre. Zudem stehen Säumniszuschläge von 1 % pro Monat im Raum, § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. 

Hinweis: Gemäß § 24 Abs. 2 SGB lV kann der Erlass der Säumniszuschläge beantragt werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Beitragsschuldner unverschuldet keine Kenntnis von der Beitragspflicht hatte.

Aus Sicht des Mehrheitsgesellschafters stellen sich solche umfassenden Vetorechte gesellschaftsrechtlich als kaum tragbares Risiko für den Fall einer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung dar, weil es der Minderheitsgesellschafter über ein solches Vetorecht in der Hand hat, die Gesellschaft dauerhaft lahmzulegen. Einen Ausweg zur Vermeidung der Sozialversicherungspflicht stellt möglicherweise die formwechselnde Umwandlung der GmbH in eine AG dar. 

Zwar werden Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft von den Rentenversicherungsträgern grundsätzlich als abhängig beschäftigt iSd. § 7 SGB IV behandelt (so auch BSG vom 6.10.2010 B 12 KR 20/09 R, NZS 2011, 548; vom 19.6.2011 B 12 KR 44/00 R, NZA-RR 2002, 494; anders jedoch BSG vom 20.3.2018 B 2 U 13/16 R, NZS 2018, 985; vom 14.12.1999 B 2 U 38/98 R, NZA-RR 2000, 434: Vorstandsmitglieder einer AG sind keine Beschäftigten iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, sondern werden wie selbständige Unternehmer tätig). Im Ergebnis wirkt sich der Streit um die Beschäftigung auf die Sozialversicherungspflicht regelmäßig nicht aus. Vorstände einer Aktiengesellschaft sind gem. § 1 Satz 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, in der Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen iSd. § 18 AktG als ein Unternehmen gelten. Auch eine Krankenversicherungspflicht scheidet gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V aus, wenn das regelmäßige Jahresentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze (2023: € 66.600,--) übersteigt. 

Der sozialversicherungsrechtliche Blick sollte die Umwandlung einer GmbH in eine AG jedoch nicht maßgeblich lenken: Die Aktiengesellschaft stellt im Vergleich zu der GmbH ein nicht unwesentlich komplexeres Gebilde dar: Ganz überwiegend ist das Aktienrecht nicht dispositiv. Erhöhte Formalien, beispielsweise im Hinblick auf Bestellung und Abschluss von Verträgen, sind einzuhalten. Zwingend tritt zudem neben den Vorstand und die Hauptversammlung im Vergleich zur GmbH ein Drittes Organ, namentlich der Aufsichtsrat. Insofern sollte im Rahmen der Gestaltungsüberlegungen sorgsam abgewogen werden, ob und in welchen Fällen sich die AG als Gestaltungsmittel anbietet, um einer etwaigen Sozialversicherungspflicht des Minderheitsgesellschafters-Geschäftsführers zu entgehen. 
 

Dr. Christian Bertrand
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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