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Rechtsprechungsänderung zur personellen Verflechtung

I. Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden (sog. sachliche Verflechtung) und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben (sog. personelle Verflechtung). Eine personelle Verflechtung besteht, wenn die Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann. 

II. Nach bisheriger Rechtsprechung kann die Herrschaft über das Betriebsunternehmen auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden (st. Rspr. BFH vom 14.8.1974 I R 136/70, BStBl. II 1975, 112; vom 29.11.2017 X R 8/16, BStBl. II 2018, 426). Wenn hingegen die an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an der Besitzgesellschaft lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft beteiligt sind, verneinte der BFH bislang eine personelle Verflechtung. Hierbei stützte sich der BFH auf das sog. Durchgriffsverbot. Dies verbiete einen Rückgriff auf die hinter der Besitzkapitalgesellschaft stehenden Anteilseigner (vgl. nur BFH vom 8.9.2011 IV R 44/07, BStBl. II 2012, 136). 

III. Diese – von der Literatur (so KRUMM in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., 2021, § 15 Rz. 96; WACKER in Schmidt, EStG, 40. Aufl., 2021, § 15 Rz. 835) kritisierte – Rechtsprechung hat der IV. Senat des BFH (vom 16.9.2021 IV R 7/18, DB 2022, 301) nunmehr (teilweise) aufgegeben. Im Entscheidungsfall war die maßgebliche Personengruppe über eine Kapitalgesellschaft – eine GmbH – an der Besitzgesellschaft – einer KG – beteiligt. 

IV. In diesem Fall liegt, so der BFH, eine personelle Verflechtung vor. Ist die Besitzgesellschaft (im Streitfall eine KG) eine Personengesellschaft, könne die bisherige Rechtsprechung nicht aufrechterhalten werden:

•  Wenn die Herrschaft über das Betriebsunternehmen nicht auf einer unmittelbaren Beteiligung beruhen muss, sondern auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft als Beteiligungsgesellschaft ausgeübt werden kann, muss dies auch für eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an dem Besitzunternehmen gelten, wenn dieses eine Personengesellschaft ist.

•  Die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft hindert die personelle Verflechtung nicht und führt zu einer mittelbaren Beherrschung, wenn die Person oder Personengruppe, welche die Geschicke der Besitzgesellschaft in wesentlichen Fragen bestimmt, auch hinter dem Betriebsunternehmen steht. Die Frage des Durchgriffs durch eine Kapitalgesellschaft ist in diesen Fällen für die Frage der Beherrschung eines Unternehmens ohne Bedeutung. Es geht ausschließlich um die Feststellung des einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillens der hinter dem Besitzunternehmen stehenden Personen. 

V. Praxishinweis: Der BFH hat die vorgenannten Grundsätze vor dem Hintergrund der erweiterten Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG aufgestellt. Eine erweiterte Kürzung ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn eine Betriebsaufspaltung vorliegt. In diesen Fällen liegt keine reine Vermögensverwaltung, sondern eine originär gewerbliche Tätigkeit vor. Nach Auffassung des IV. Senats kann dies (nunmehr) auch der Fall sein, wenn über eine Kapitalgesellschaft eine mittelbare Beteiligung an der Besitzpersonengesellschaft besteht. Die vorgenannte Entscheidung ist darüber hinaus auch für die Einkommensteuer relevant. Insoweit hat die Entscheidung des IV. Senats eine generelle Änderung der Rechtsprechung „eingeläutet“. 
 

Dr. Torben Gravenhorst
Rechtsanwalt
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Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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