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Neuer Erlass zur Erbschaft- und Schenkungsbesteuerung von Unternehmen

Liegen die Voraussetzungen für die Optionsverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG nicht vor, soll nach Ansicht des BFH ein Rückfall auf die Regelverschonung iHv. 85 % nach abgegebener Optionsverschonungserklärung nicht möglich sein (BFH vom 26.7.2022 II R 25/20, BStBl. II 2024, 21). Ferner – so entschied der BFH im gleichen Urteil – seien mehrere wirtschaftliche Einheiten auch bei gleichzeitiger Schenkung in Ansehung der Verschonungsregeln der §§ 13a, 13b ErbStG separat zu betrachten. Ferner: Das Urteil erging zum alten „ErbStG“. Mit gleichlautenden Ländererlassen vom 22.12.2023 (BStBl. I 2024, 69) überträgt die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung auf die derzeitige Rechtslage und gibt weiterführende Hinweise.

 

I. Inhalte der gleichlautenden Ländererlasse

Zusammengefasst gilt nach Ansicht der Finanzverwaltung nun Folgendes:

  • Liegen die Voraussetzungen der Optionsverschonung für eine wirtschaftliche Einheit nicht vor, obwohl sie für diese beantragt wurde, ist für die Einheit auch keine Regelverschonung zu gewähren.
  • Der Erwerber kann bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft den Antrag auf Options­ver­schonung bei einem Erwerb von mehreren wirtschaftlichen Einheiten für jede wirt­schaft­liche Einheit gesondert stellen.
  • Beim Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten ist ein Nebeneinander von Regel- und Optionsverschonung möglich.
  • Bei der Berechnung des gleitenden Abzugsbetrags iHv. bis zu € 150.000,-- (§ 13a Abs. 2 ErbStG) sind mehrere gemeinsam übertragene Einheiten zusammen zu betrachten.
  • Das Abschmelzungsmodell des § 13c Abs. 1 ErbStG oder die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG kann beim Erwerb mehrerer wirtschaftlicher Einheiten nur einheitlich für den gesamten Erwerb beantragt werden.
  • Anders als zuvor, soll nunmehr die Einhaltung der Mindestlohnsumme (§ 13a Abs. 3 ErbStG) für jede wirtschaftliche Einheit separat zu prüfen sein.
  • Auch der Verstoß gegen die Behaltensregelung ist für jede wirtschaftliche Einheit zu prüfen.

Zudem enthält der Erlass eine Vertrauensschutzregelung. Steuerpflichtige, die den Antrag auf Op­tions­verschonung vor dem 25.1.2024 gestellt haben, können sich auf die bisherige Verwaltungs­auffassung berufen, nach der bei Nichterfüllung der Voraus­set­zungen für die Optionsverschonung die Regelverschonung gewährt wurde. Entstand die Steuer vor dem 25.1.2024, wird die Einhaltung der Mindestlohnsumme wie bislang in Bezug auf alle wirtschaftlichen Einheiten gemeinsam geprüft; auf Antrag ist jedoch – wie nun vorgesehen – auch eine getrennte Prüfung der wirtschaftlichen Einheiten möglich.

 

II. Folgen für die Praxis

Aufatmen können Steuerpflichtige, die für eine oder mehrere wirtschaftliche Einheiten den Optionsantrag vor dem 25.1.2024 gestellt haben, obwohl die Verwaltungsvermögensquote des § 13a Abs. 10 ErbStG insoweit nicht erfüllt wurde. Sie können sich auf die Vertrauensschutzregelung der Finanz­ver­waltung berufen und fallen – soweit die Voraussetzungen vorliegen – auf die Regelverschonung zurück.

Für Übertragungen nach dem 24.1.2024 ist die Auffassung der Finanzverwaltung hingegen hoch problematisch.

Der Berater sollte einen Antrag auf Optionsverschonung im Grundsatz nur bzw. erst dann stellen, wenn er sicher sein kann, dass die Verwaltungsvermögensquote des § 13a Abs. 10 ErbStG eingehalten wird. Der Antrag ist bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft möglich. Wurde der Optionsantrag gestellt, obwohl die Voraussetzungen nicht vorliegen, sollten die Bescheide offengehalten werden, sofern die Finanzverwaltung die Regelverschonung versagt. UE lässt sich – entgegen der Verwaltungsauffassung – die zu § 13a Abs. 8 ErbStG aF ergangene Rechtsprechung insoweit nicht auf die derzeitige Rechtslage übertragen (ausführlich hierzu: Fortgeltung der Optionsfalle des § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. bei § 13a Abs. 10 ErbStG n.F.? | Streck Mack Schwedhelm (steueranwalt.de)). Eine entsprechende Revision dazu ist derzeit beim BFH anhängig (AZ: II R 19/23).

Begrüßenswert und rechtlich zutreffend ist, dass die Finanzverwaltung bei mehreren gleichzeitig übertragenen Einheiten nun zulässt, dass der Steuerpflichtige den Antrag auf Optionsverschonung nur für einzelne dieser Einheiten stellt. So kann die Begünstigung der Einheiten je nach Vermögens­zusammensetzungen und ihrer prognostizierten Fortentwicklung (Lohnsummenpflicht und Behaltensfrist) optimiert werden.

Negativ kann sich künftig auswirken, dass das Zurückbleiben hinter der erforderlichen Mindestlohnsumme in einer wirtschaftlichen Einheit nicht mehr durch das Überschreiten der Mindestlohnsumme in einer anderen Einheit ausgeglichen werden kann. Bei Übertragungen vor dem 25.1.2024 greift insoweit aber die Übergangsregelung der Finanzverwaltung. Hier sollte der Berater ferner prüfen, ob im Einzelfall eine getrennte Betrachtung günstiger ist und dies ggf. beantragen.

Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Tim Walter
Rechtsanwalt
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