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Freiberufler oder abhängig Beschäftigter?

Es ist Vorsicht geboten, bei der Beschäftigung von vermeintlich „freien Mitarbeitern“ - es können strafrechtliche Konsequenzen drohen…

Der Bundesgerichtshof hatte vor dem Hintergrund einer potentiellen Strafbarkeit wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB jüngst zu klären, ob Rechtsanwälte einer Rechtsanwaltskanzlei als Scheinselbstständige und damit als abhängig Beschäftigte oder tatsächlich als freie Mitarbeiter tätig waren (BGH vom 8.3.2023 1 StR 188/22). 

Der Entscheidung lag (verkürzt) folgender Sachverhalt zugrunde: Ein alleiniger Kanzleiinhaber schloss mit mehreren Anwälten „Freie Mitarbeiterverträge“ über eine zeitlich nicht befristete Zusammenarbeit sowie eine im Wesentlichen gleichlautende weitere schriftliche Zusatzvereinbarung. Während der Mitarbeitervertrag insbesondere regelte, dass der Rechtsanwalt als freier Mitarbeiter für die Kanzlei tätig war, seine Sozialabgaben selbst abführte, eigenes Personal beschäftigen und selbst werben durfte sowie berechtigt war, das vereinbarte Jahresgehalt in monatlichen Teilbeträgen abzurufen, sah die Zusatzvereinbarung vor, dass die Beschäftigung eigenen Personals und die Bearbeitung von Mandaten außerhalb der Kanzlei der Zustimmung der Kanzlei bedurften und Werbemaßnahmen abzustimmen und zu genehmigen waren. Während ihrer Beschäftigung waren die Rechtsanwälte nur für den Kanzleiinhaber tätig, der ihnen auch die zu bearbeitenden Mandate zuwies. Die Anwälte erbrachten ihre Tätigkeit nahezu ausschließlich in den Kanzleiräumlichkeiten. Die gesamte Kanzleiinfrastruktur wurde ohne Kostenbeteiligung zur Verfügung gestellt. Das vereinbarte Jahreshonorar riefen die Rechtsanwälte regelmäßig einmal pro Monat anteilig per Rechnung ab, unabhängig von dem durch sie in dem jeweiligen Abrechnungszeitraum erwirtschafteten Umsatz.

Das Landgericht Traunstein ging in seinem Urteil vom 14.1.2022 von einer abhängigen Beschäftigung der „Freien Mitarbeiter“ und damit von deren Sozialversicherungspflicht aus und verurteilte den Kanzleiinhaber wegen § 266a StGB zu einer kombinierten Geldstrafe neben einer Bewährungsstrafe (§ 41 StGB). Zudem wurde die Einziehung von Taterträgen angeordnet.

Der Bundesgerichtshof hielt am Schuldspruch des Landgerichts fest und bestätigte die bisher zu diesen Fallkonstellationen ergangene Rechtsprechung:

Der strafrechtliche Arbeitgeberbegriff sei aus dem Sozialversicherungsrecht (§ 7 Abs. 1 SGB IV) herzuleiten. Danach ist nichtselbständige Arbeit eine Tätigkeit nach Weisungen und einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Konkretisiert werde dies wiederum anhand der Kriterien persönlicher Abhängigkeit in Form eines umfassenden Weisungsrechts des Arbeitgebers zu Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit. Bei Diensten höherer Art könne dieses Weisungsrecht durchaus eingeschränkt sein. Gleichwohl müsse auch insoweit eine Abgrenzung zur selbständigen Tätigkeit, der insbesondere ein eigenes Unternehmerrisiko verbunden mit der Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft innewohne, erfolgen. Der Bundesgerichtshof betonte einmal mehr, dass die Einordnung bzw. die Qualifizierung als Arbeitnehmer oder Freiberufler gerade nicht davon abhängt, welche vertraglichen Vereinbarungen getroffen wurden. Vielmehr seien die tatsächlichen Gegebenheiten der „gelebten Beziehung“ einer wertenden Gesamtbetrachtung zu unterziehen. Diesen Maßstab zugrunde gelegt – so der Bundesgerichtshof – habe das Landgericht seine Wertung insbesondere rechtsfehlerfrei mit dem für die höheren Dienste zentralen Kriterium des Unternehmerrisikos, das fehlte, und dem faktisch festen Jahresgehalt begründen dürfen.

Gleichwohl hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung der Vorinstanz auf, weil der strafzumessungsbestimmende sozialversicherungsrechtliche Schaden nach Anzahl, Beschäftigungszeiten, Löhnen der Arbeitnehmer und der Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Krankenkasse sowie die zugrundeliegenden Berechnungen nicht nachprüfbar dargelegt worden seien. 

Bemerkenswert ist zudem der Hinweis für den zweiten Rechtsgang: Eine kombinierte Geld- und Freiheitsstrafe sei vornehmlich auf Fälle zugeschnitten, in denen es sinnvoll erscheint, den Täter nicht nur an der Freiheit, sondern darüber hinaus auch am Vermögen zu treffen. Jedenfalls sei in den Fällen, in denen zur Abschöpfung des aus der Tat erlangten Vermögens eine Einziehungsentscheidung getroffen wird, zu erörtern, ob die kumulative Verhängung von Freiheits- und Geldstrafen angebracht ist.

Beraterhinweis: Sollte Unsicherheit über den Status des vereinbarten Auftragsverhältnis bestehen, so empfiehlt es sich, einen Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus gemäß § 7a SGB IV bei der Deutschen Rentenversicherung zu stellen. Die Deutsche Rentenversicherung führt sodann ein sog. Statusfeststellungsverfahren durch und prüft, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt. Steuerliche und strafrechtliche Risiken können so vermieden werden. 
 

Dr. Peter Talaska
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Wiebke Beckmann
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