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Erbfallkostenpauschale für den Nacherben auch ohne Nachweis möglich: Änderung der BFH-Rechtsprechung

I. Der Erbe kann zur Reduzierung des steuerpflichtigen Erwerbs und damit der Erbschaftsteuer grundsätzlich die Nachlassverbindlichkeiten abziehen. Umfasst sind insbesondere die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG). Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist grundsätzlich weit auszulegen und umfasst ua. die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen (BFH vom 6.5.2021 II R 24/19, BStBl. II 2022, 240; siehe auch KAMPS, ErbR 2021, 533 (534)). Aus Vereinfachungsgründen ist es dem Erwerber möglich, für diese Kosten einen Pauschbetrag iHv. € 10.300,--  anzusetzen (sog. Erbfallkostenpauschale, § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG).

II. In seiner am 4.5.2023 veröffentlichten Entscheidung hatte der BFH (vom 1.2.2023 II R 3/20 (nv.)) über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Die Klägerin war Nacherbin ihrer Tante. Vorerbe war zunächst der Ehemann der Tante, der selbst keine Nachlassregelungskosten geltend machte. Nach dem Tod des Ehemanns trat die Klägerin die Nacherbschaft an. Ihr waren Kosten iHv. (lediglich) € 40,-- beim Nachlassgericht entstanden: Sie machte den Pauschbetrag iHv. € 10.300,--  geltend. Während das Finanzamt diesen nicht zuerkannte, gab das Finanzgericht (FG Münster vom 24.10.2019 3 K 3549/17 Erb, EFG 2020, 391) der Klägerin Recht. Diese Entscheidung bestätigt nun der BFH: 

1. Neben dem Vorerben kann auch der Nacherbe den Pauschbetrag für Erbfallkosten in Anspruch nehmen. Der Pauschbetrag iHv. € 10.300,-- (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG) ist zwar für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren (vgl. BFH vom 24.2.2010 II R 31/08, BStBl. II 2010, 491 mwN). Im Fall der Vor- und Nacherbschaft liegen jedoch erbschaftsteuerlich zwei aufeinanderfolgende Erwerbe vor (vgl. § 6 Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG). Beim Eintritt der Nacherbfolge wird ein Erwerb des Nacherben unmittelbar vom Vorerben fingiert. Vorliegend wäre der Pauschbetrag auch dann zu gewähren gewesen, wenn der Ehemann als Vorerbe seinerseits Nachlassregelungskosten geltend gemacht hätte. Insofern enthält das BFH-Urteil nichts Neues; er stellt lediglich seine bisherige Rechtsprechung klar.

2. Das Finanzamt versagte den Ansatz des Pauschbetrags jedoch, weil es mit der bisherigen Rechtsprechung (BFH vom 28.11.1990 II S 10/90, BFH/NV 1991, 243; vom 21.1.2005 II B 6/04, BFH/NV 2005, 1092) den Nachweis verlangte, dass die Kosten zumindest dem Grunde nach angefallen sind. Dies war nicht der Fall. Der BFH gibt nun in seinem Urteil vom 1.2.2023 II R 3/20 (nv.) diese Rechtsprechung ausdrücklich auf. 

III. Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen. Der Wortlaut des Gesetzes geht davon aus, dass mit dem Erbfall typischerweise entsprechende Kosten entstehen. Einen Nachweis, dass konkrete Kosten dem Grunde nach angefallen sind, fordert das Gesetz nicht. Dies würde zudem dem Vereinfachungszweck des Pauschbetrags entgegenstehen.

Beraterhinweis: Auch bei Vor- und Nacherbschaften sollte der vorgenannte Pauschbetrag erwerbsmindernd geltend gemacht werden. Er deckt nicht nur die unmittelbaren Beerdigungskosten ab, sondern dient dazu, Nachlassregelungskosten im weitesten Sinne zu erfassen. Der Pauschbetrag dient nicht nur der Vereinfachung der Erbschaftsteuerveranlagung, sondern wirkt in zahlreichen Fällen wie ein zusätzlicher Freibetrag (vgl. dazu GECK in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 10 Rz. 152 (Feb. 2023)). Entstehen darüber hinaus weitere Kosten, sind sie dem Erwerber auf Nachweis ersetzbar. Dann muss der Erwerber sämtliche geltend gemachte Kosten belegen. 
 

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Torben Gravenhorst
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