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Der neue Realteilungserlass ist da!

Die Realteilungsgrundsätze in §§ 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG sehen für die Auseinandersetzung von Personengesellschaften mit Betriebsvermögen eine erhebliche Steuererleichterung vor. Die Übertragung von Wirtschaftsgütern der Gesellschaft in ein Betriebsvermögen der Gesellschafter kann danach erfolgen, ohne dass stille Reserven versteuert werden müssen (zu den umsatzsteuerlichen Folgen vgl. STENERT, DStR 2018, 765).

Trotzdem spielte die Realteilung in der Gestaltungspraxis bislang eine untergeordnete Rolle, weil die Finanzverwaltung den Anwendungsbereich äußerst restriktiv auslegte. Die Voraussetzungen sollten nur dann vorliegen, wenn sowohl die Personengesellschaft als auch deren Betrieb aufgelöst werden, die Gesellschafter die vorhandenen Wirtschaftsgüter untereinander aufteilen und sodann zumindest eine wesentliche Betriebsgrundlage weiterhin betrieblich nutzen. Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer fortbestehenden Personengesellschaft sollte ebensowenig eine Realteilung darstellen wie die Fortführung des Betriebs einer aufgelösten Personengesellschaft durch einen der Gesellschafter (vgl. dazu BMF vom 28.2.2006, BStBl. I 2006, 228).

Bereits mit seinem Urteil vom 17.9.2015 (III R 49/13, BStBl. II 2017, 37) brachte der BFH zum Ausdruck, dass er die restriktive Ansicht der Finanzverwaltung nicht teilt. Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer fortbestehenden Personengesellschaft stellt nach Ansicht des BFH jedenfalls dann eine Realteilung dar, wenn der Abfindungsanspruch durch die Übereignung eines Teilbetriebs erfüllt wird (vgl. zu dieser Entscheidung im Einzelnen WOLLWEBER/STENERT, DStR 2016, 2144). Die Finanzverwaltung folgte dem. Sie passte mit Schreiben vom 20.12.2016 (BStBl. I 2017, 36) den Realteilungserlass an das Urteil an, blieb im Übrigen jedoch bei ihrer restriktiven Haltung. Insbesondere sollte die Übernahme von Einzelwirtschaftsgütern beim Ausscheiden aus einer fortbestehenden Personengesellschaft weiterhin keine Realteilung darstellen.

Die Auffassung der Finanzverwaltung war bereits wenige Monate nach Erlass des BMF-Schreibens überholt (dazu STENERT, DStR 2017, 1785). Der BFH stellte mit Urteil vom 16.3.2017 (IV R 31/14, DStR 2017, 1381) und vom 30.3.2017 (IV R 11/15, DStR 2017, 1376) klar, dass eine Realteilung auch in folgenden Konstellationen vorliegt:

  1. Die Personengesellschaft wird aufgelöst, der Betrieb wird jedoch von einem der Mitunternehmer unverändert fortgeführt.
  2. Ein Gesellschafter scheidet gegen Abfindung aus einer fortbestehenden Personengesellschaft aus und der Abfindungsanspruch wird durch die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern erfüllt.

Nach längerem Schweigen schließt sich die Finanzverwaltung in dem neu gefassten Realteilungserlass vom 19.12.2018 (www.bundesfinanzministerium.de) dieser Rechtsprechung nun an. Insbesondere für Freiberufler, die aus einer Personengesellschaft ausscheiden, ergeben sich dadurch künftig erhebliche Erleichterungen in der Gestaltungspraxis. Auf die bislang häufig diskutierte Frage, ob die fortgeführte freiberufliche Tätigkeit des Gesellschafters der Steuerneutralität der Realteilung entgegensteht, dürfte es danach künftig nicht mehr ankommen. Unschädlich ist es außerdem, wenn der aus einer fortbestehenden Personengesellschaft ausscheidende Gesellschafter neben Einzelwirtschaftsgütern auch Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernimmt. Bedauerlich (aber nicht anders zu erwarten) ist, dass die Finanzverwaltung es weiterhin als steuerschädlich ansieht, wenn im Rahmen der Realteilung Wirtschaftsgüter auf eine andere (Schwester-)Personengesellschaft übertragen werden. Freiberufler, die in eine andere Sozietät oder Partnerschaft wechseln möchten, sind daher nach wie vor auf Alternativgestaltungen angewiesen.

Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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