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Aktuelles BFH-Urteil zur erweiterten Gewerbesteuerkürzung

Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist streitanfällig und immer wieder Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung. Neben der Mitüberlassung von beweglichen und unbeweglichen Betriebsvorrichtungen sind mehrstöckige Beteiligungsstrukturen ein „Dauerbrenner“ in Betriebsprüfung und Rechtsbehelfsverfahren. In einer jüngst veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 20.4.2023 III R 53/20) hat der BFH ergänzende Aussagen zu den (engen) tatbestandlichen Voraussetzungen getroffen.

Gesetzliche Ausgangslage
Grundstücksverwaltende Kapitalgesellschaften sowie gewerbliche (oder gewerblich geprägte) Personengesellschaften kommen auf Antrag gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG  in den Genuss der erweiterten Gewerbesteuerkürzung. Dies gilt jedoch nur dann, wenn sie – neben den explizit erlaubten, aber nicht begünstigten Nebentätigkeiten – ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen (privilegierte Haupttätigkeit). In diesem Fall wird der Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) um den Teil gekürzt, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Alle anderen gesetzlich nicht erlaubten Nebentätigkeiten, denen ein Grundstücksunternehmen (mE aber nur: entgeltlich) nachgeht, sind – vorbehaltlich anerkannter Ausnahmen in der Rechtsprechung – kürzungsschädlich. Ein Verstoß gegen das  Ausschließlichkeitsgebot führt zur vollständigen Versagung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung durch das Finanzamt, das dann lediglich auf die „einfache“ Gewerbesteuerkürzung (vgl. § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG) zurückgreift. 

Urteilsfall
Im Urteilsfall verwaltete eine GmbH eigene Immobilien und in ihrem Vermögen gehaltene Beteiligungen (u.a. an zwei grundbesitzverwaltenden GbRs), sie war also selbst vermögensverwaltend tätig. Zudem war sie Komplementärin einer grundstücksverwaltenden Zebragesellschaft (hier: nicht gewerblich geprägte KG), ohne jedoch – und das ist hier entscheidend – Kapitalanteile an dieser zu halten und damit an deren Vermögen beteiligt zu sein. Zunächst erhielt die GmbH für ihre Komplementärstellung eine „Haftungsvergütung“ iHv. 5 % ihres (damaligen) Stammkapitals, nach Änderung des KG-Vertrages sodann eine „Avalgebühr“ bzw. „Vorabvergütung“ iHv. 1 % des (neuen) Stammkapitals. Das Finanzamt und nachfolgend das FG Baden-Württemberg versagten die erweiterte Gewerbesteuerkürzung. 

Entscheidung des BFH
Der Bundesfinanzhof hat die Versagung der erweiterten Kürzung bestätigt. Von Bedeutung sind insbesondere folgende Feststellungen: 

1.    Nach Auffassung des BFH handelt es sich nicht um die Verwaltung und Nutzung – eines nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnenden (Stichwort: Bruchteilsbetrachtung) – eigenen Grundbesitzes, wenn eine GmbH gegen Zahlung einer Haftungsvergütung zwar Komplementärin einer grundbesitzverwaltenden Zebragesellschaft ist, ohne jedoch an deren Vermögen beteiligt zu sein. Insofern verwalte und nutze die GmbH mangels Vermögensbeteiligung nur fremden Grundbesitz. Bei der gewährten Haftungsvergütung für die Komplementärstellung handele es sich daher um einen Ertrag aus der Verwaltung und Nutzung fremden Grundbesitzes.

2.    Die entgeltliche Übernahme der Haftung als Komplementärin stellt aus Sicht des BFH eine gegen das Ausschließlichkeitsgebot verstoßende kürzungsschädliche Nebentätigkeit dar. Es handele sich weder um eine gesetzlich ausdrücklich erlaubte Nebentätigkeit noch um einen richterlich anerkannten Ausnahmefall, da die entgeltliche Haftungsübernahme der GmbH kein zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung sei. Unerheblich ist es für den Bundesfinanzhof auch, ob die entgeltliche Übernahme der Vollhaftung auf dem Gesellschaftsvertrag oder einem gesonderten schuldrechtlichen Vertrag beruht.

3.    Auch die vergleichsweise geringfügige Vergütung für die Komplementärstellung war für den BFH ohne Bedeutung, da vom Ausschließlichkeitsgebot auch in Bagatellfällen keine Ausnahmen geboten seien.

Praxishinweise
Der Umgang mit der erweiterten Gewerbesteuerkürzung führt in der Praxis immer wieder zu Problemen und rechtlichen Unsicherheiten. Hierbei sind zwei tatbestandliche Voraussetzungen streng voneinander zu trennen: Verwaltet und nutzt ein Grundstücksunternehmen „eigenen Grundbesitz“ und verwaltet/nutzt sie diesen „ausschließlich“? 

Spätestens nach dem Urteil des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 25.9.2018 (GrS 2/16, BStBl. II 2019, 262, FR 2019, 437 m. Anm. NÖCKER und CREMERS) steht im Grundsatz fest, dass es sich bei der vermögensmäßigen Beteiligung einer Kapitalgesellschaft oder gewerblichen (bzw. gewerblich geprägten) Personengesellschaft an einer grundstücksverwaltenden Zebragesellschaft um die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes handelt. Durch die Bruchteilsbetrachtung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist der Grundbesitz der grundstücksverwaltenden Zebragesellschaft der beteiligten Gesellschaft anteilig als deren Betriebsvermögen zuzurechnen und im Umfang der Beteiligung zugleich (anteilig) eigener Grundbesitz im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. 

Dass die „Beteiligung“ an einer grundbesitzenden Zebragesellschaft jedoch nicht ohne Weiteres unschädlich ist, zeigt das vorliegende Urteil. Unschädlich ist diese Konstellation nur, wenn die GmbH auch am Vermögen der Zebragesellschaft beteiligt ist und damit im Umfang der Beteiligung anteilig eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt. Anderenfalls kann dem Gesellschafter auch kein Bruchteil des Grundbesitzes der Zebragesellschaft zugerechnet werden, so dass es sich bei dem Entgelt für die Komplementärstellung um die Verwaltung und Nutzung fremden Grundbesitz handelt. 

Offen bleibt, ob der BFH die Komplementärstellung ohne Vermögensbeteiligung als unschädlich erachtet hätte, wenn die Haftungsübernahme unentgeltlich erfolgt wäre. Hierfür sprechen mE gute Gründe: Die erweiterte Kürzung stellt – darauf hat der Bundesfinanzhof selbst ua. in einem Obiter Dictum vom 21.7.2016 (IV R 26/14, Rz. 64, BStBl. II 2017, 202) hingewiesen – auf Erträge ab, so dass nicht die weitere Tätigkeit als solche, sondern nur etwaige Erträge aus dieser Tätigkeit kürzungsschädlich sind. Diese Sichtweise deutet der BFH mE auch in der vorliegenden Entscheidung zumindest implizit an (Rz. 18 ff. des Urteils).

Abzugrenzen ist der Urteilsfall (Beteiligung an einer grundstücksverwaltenden Zebragesellschaft) von der Beteiligung an einer grundstücksverwaltenden, gewerblich geprägten (bzw. originär gewerblich tätigen) Personengesellschaft (so zB BFH vom 27.6.2019 IV R 44/16 m. Anm. CREMERS, Ubg 2019, 664). Letztere Beteiligungskonstellation ist nicht nur ausnahmsweise, sondern im Regelfall wegen eines Verstoßes gegen das Ausschließlichkeitsgebot kürzungsschädlich.

Dr. Jörg Alvermann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Sportrecht
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Dr. Oliver Cremers
Rechtsanwalt
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