Zehnt – der Steuerblog

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Zum Vertretungszwang vor dem BFH

In Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) kann der Steuerpflichtige nicht selbst auftreten, sondern muss sich (zB durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater) vertreten lassen (§ 62 Abs. 4, Abs. 2 Satz 1 FGO). Der Vertretungszwang soll eine sachgerechte und wirksame Wahrnehmung der Rechte des Bürgers gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 14/4061, 8) und das Gericht zu entlasten (STAPPERFEND in Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 62 Rz. 55).

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass der Steuerpflichtige bereits mit einem fertigen, von ihm gefertigten Schriftsatz den Berater aufsucht. Eine Auseinandersetzung des Beraters mit dem Schriftsatz ist bisweilen gar nicht gewünscht. Der Berater mag dann versucht sein, den Schriftsatz mit einem Begleitschreiben unverändert an den BFH zu versenden. Ein solches Vorgehen hätte jedoch fatale Folgen, wie die am 10.8.2023 veröffentlichte Entscheidung des BFH (vom 25.7.2023 VIII B 27/22) zeigt:

Streitig war, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde fristgerecht begründet wurde. Im Entscheidungsfall hatte der Prozessbevollmächtigte lediglich einen Schriftsatz des Steuerpflichtigen als „Zitat“ unverändert wiedergegeben. Ferner hatte er darauf verwiesen, dass es sich ausschließlich um eine Begründung des Steuerpflichtigen handelt. Dies reicht, so der BFH, nicht für eine wirksame Vertretung aus. Ebenfalls reicht es nicht aus, wenn der Prozessbevollmächtigte auf einen der Zulassungsgründe aus dem Katalog des § 115 Abs. 2 Nrn. 1–3 FGO verweist und mitteilt, der Steuerpflichtige sei der Auffassung, dass die Revision aus diesen Gründen zuzulassen sei. Auch insoweit fehlt es an einer vom Prozessbevollmächtigten selbst verfassten und selbst verantworteten Beschwerdebegründung. Mangels ordnungsgemäßer Vertretung verwarf der BFH die Beschwerde daher als unzulässig.

Für die Beratungspraxis heißt das, dass der Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die Schriftsätze, die er an den BFH übermittelt, übernehmen muss. Es muss zum Ausdruck kommen, dass der Bevollmächtige sich mit dem Streitstoff befasst, ihn gesichtet, geprüft und rechtlich durchgearbeitet hat (BFH vom 19.2.2019 II B 85/17, BFH/NV 2019, 404 unter Verweis auf BFH vom 21.9.2017 XI B 49/17, BFH/NV 2018, 46). Nicht ausreichend ist zB, wenn der Prozessbevollmächtigte lediglich einen von einem Beteiligten selbst verfassten Schriftsatz unterschreibt (BFH vom 29.3.2007 VII B 297/06, BFH/NV 2007, 1339), auf einen von seinem Mandanten selbst verfassten Schriftsatz Bezug nimmt (BFH vom 2.8.2007 I B 143/06, BFH/NV 2007, 2306) oder als wörtliche Wiedergabe gekennzeichnete Ausführungen des Beschwerdeführers mit dem formelhaften Hinweis übersendet, diesen sei "kaum etwas hinzuzusetzen" (siehe auch BFH vom 21.9.2017 XI B 49/17, BFH/NV 2018, 46; LOOSE in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 62 FGO Rz. 48 (Juli 2023); jeweils mwN).

Dr. Torben Gravenhorst
Rechtsanwalt
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Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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