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Bundesfinanzhof zum Vertrauensschutz bei rechtswidriger Verwaltungsanweisung (BFH 24.8.2023 V R 49/20)

Nach § 176 Abs. 2 AO darf bei der Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheides nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine Verwaltungsrichtlinie als rechtswidrig erachtet wurde. Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes: Der Steuerpflichtige soll auf allgemeine Verwaltungsanweisungen vertrauen dürfen (BFH vom 11.10.1988 VIII R 419/83, BStBl. II 1989, 284, Rz. 36).

Der Bundesfinanzhof hat nun mit einer jüngst veröffentlichten Entscheidung (v. 24.8.2023 V R 49/20) den Vertrauensschutz in zeitlicher Hinsicht konkretisiert. Maßgeblicher ist, ob die von der Verwaltungsrichtlinie abweichende Gerichtsentscheidung zum Zeitpunkt des Änderungsbescheides bereits veröffentlicht ist. Ergeht die für den Steuerpflichtigen ungünstige Entscheidung erst nach dem Änderungsbescheid, besteht kein Änderungsschutz nach § 176 Abs. 2 AO.

Im Streitfall berief sich der Unternehmer auf Abschnitt 9.2 Abs. 2 UStAE. Hiernach durfte ein Unternehmer auf die Steuerfreiheit seiner Vermietungsumsätze nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG verzichten, wenn er ein Grundstück an einen Landwirt verpachtet, der seine Umsätze gemäß § 24 Abs. 1 UStG nach Durchschnittssätzen versteuert. Der Bundesfinanzhof entschied hierzu mit einem am 16.5.2018 veröffentlichten Urteil vom 1.3.2018 (V R 35/17, BStBl. II 2020, 749), dass die Verwaltungsrichtlinie unzutreffend ist. Das Finanzamt hatte aber bereits vor der Veröffentlichung des Urteils den negativen Änderungsbescheid erlassen.

Praxishinweis: Vertrauensschutz kann für den Steuerpflichtigen auf verschiedenen Ebenen im Besteuerungsverfahren relevant werden. Sollte – wie im Urteilsfall des BFH – die negative Rechtsprechungsentwicklung erst nach Ergehen des angefochtenen Bescheides eintreten, sollte der Berater unbedingt einen zusätzlichen Billigkeitsantrag (§ 227 AO) stellen.

Dr. Jörg Alvermann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Sportrecht
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Carsten Odinius
Rechtsanwalt
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