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Zehnt – der Steuerblog
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BMF nimmt zur Bedeutung des OECD-Musterkommentars für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen Stellung – anderer Ansicht: BFH!
Das Bundesministerium der Finanzen hat das Urteil des BFH vom 11.7.2018 (I R 44/16, IStR 2019, 272) zum Anlass genommen und sich mit Schreiben vom 19.4.2023 (IV B 2 - S 1301/22/10002 :004, DOK 2022/1218103) zu der Rolle des Musterkommentars der OECD für die Auslegung von DBA-Bestimmungen, welche dem OECD-Musterabkommen nachgebildet sind, geäußert. Der Musterkommentar sei als widerlegliches Indiz für die Staatenpraxis bei der Auslegung der Bestimmungen heranzuziehen. Besonders interessant: Das BMF spricht sich im Ergebnis für einen dynamischen Auslegungsansatz aus. Für die Indizwirkung sei der OECD-Kommentar in seiner „zum Anwendungszeitpunkt“ geltenden Fassung zu berücksichtigen. Damit sollen nach Auffassung des BMF auch nachträglich, dh. nach Abschluss des jeweiligen DBA, in den OECD-Kommentar aufgenommene Präzisierungen und Ergänzungen für die Auslegung relevant sein.
Die Sichtweise des BMF überrascht. Der BFH hatte in seinem Urteil vom 11.7.2018 entschieden, dass es für die Judikative allein auf den Abkommenstext und den Abkommenszusammenhang ankommt. Auf spätere Übereinkünfte der Vertragsstaaten oder zwischenstaatliche Übungen komme es nur an, wenn sich diese in einem entsprechenden Transformationsgesetz niedergeschlagen haben. Damit sind nach Auffassung des BFH nachträgliche Anpassungen des OECD-Musterkommentars – ohne Änderung des nationalen Umsetzungsgesetzes – für die Auslegung des DBA ohne Bedeutung.
Praxistipp: Sollte die Finanzverwaltung eine aus Sicht des Steuerpflichtigen ungünstige Auslegung eines DBA auf eine nachträgliche Anpassung des OECD-Musterkommentars stützen, kann es sinnvoll sein, den Fall gerichtlich auszustreiten.