Zehnt – der Steuerblog

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BFH: Bis heute keine aktive Nutzungspflicht für das beSt?

Paukenschlag durch den 10. Senat des BFH: In einem Nichtzulassungsverfahren hat er konkret in Zweifel gezogen, ob die Pflicht zur aktiven Nutzung des beSt bis heute überhaupt wirksam geworden ist (BFH vom 17.4.2024, X B 68, 69/23): 

  1. Der Senat hat mit der zeitlichen Abfolge im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des beSt näher befasst. Nach den Feststellungen des 10. Senats ist die gesetzliche Ermächtigung zum Erlass der StBPPV zwar schon am 1. August 2022 in Kraft getreten. Anzuwenden ist sie indes erstmals nach Ablauf des 31. Dezember 2022 (§ 157e StBerG). 
  2. Die StBPPV wurde hingegen am 25. November 2022 erlassen und am 30. November 2022 verkündet, beides mithin nach Inkrafttreten, aber vor der Anwendbarkeit ihrer formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. 
  3. Der BFH führt hierzu aus: Der wirksame Erlass einer Rechtsverordnung setzt unter anderem voraus, dass die entsprechende formellgesetzliche Ermächtigungsgrundlage im Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsverordnung bereits in Geltung gestanden hat (Urteil des BVerwG vom 20.04.2023 - 2 C 18.21, NVwZ 2023, 1423, Rz 16). Von einer Ermächtigung kann erst Gebrauch gemacht werden, wenn sie vorliegt (BVerfG vom 26.07.1972 - 2 BvF 1/71, BVerfGE 34, 9, unter B.II.2.).
  4. Vor diesem Hintergrund ist nach der uE zutreffenden Ansicht des 10. Senats zweifelhaft, ob die Steuerberaterplattform- und -postfachverordnung, die Grundlage für die Erstregistrierung zum besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach, für dessen Ausgestaltung und damit für die Nutzungspflicht nach § 52d Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ist, wirksam geworden ist. Sie wurde am 25.11.2022 erlassen (BGBl I 2022, 2105 vom 30.11.2022); ihre Ermächtigungsgrundlage (§ 86f des Steuerberatungsgesetzes   StBerG  ) war aber erstmals nach Ablauf des 31.12.2022 anzuwenden (§ 157e StBerG).
  5. Unter Zugrundelegung verfassungsrechtlicher Erwägungen stellt der 10. Senat mithin an der Wirksamkeit der StBPPV in Abrede, weil die ermächtigende Norm noch gar nicht anzuwenden war, als die darauf gestützte Verordnung erlassen wurde. Ein solcher Fehler ist auch nicht durch die spätere Anwendbarkeit der Ermächtigungsgrundlage geheilt worden; die Verordnung müsste dann neu erlassen werden. Dies ist bis heute nicht erfolgt. Daran anknüpfend zieht der 10. Senat zu Recht nicht nur in Zweifel, dass es derzeit an einer Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung der Steuerberater zur Erstregistrierung fehlt, sondern auch an einer aktiven Nutzungspflicht, die ohne den erforderlichen Unterbau einer Rechtsverordnung gar keinen Bestand hat.


Hinweis

In allen offenen Fällen, in denen das beSt vom Steuerberater nicht benutzt wurde und insofern in Streit steht, ob eine gerichtliche Frist formwirksam gewahrt wurde, sollte auf diese Entscheidung hingewiesen werden. 

Zudem sollte in jedem Fall geprüft werden, ob nicht ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Gewährung der Wiedereinsetzung der Frist in den vorigen Stand besteht. Wird die Klage zwar unter Verstoß gegen die aktive beSt-Nutzungspflicht per Fax oder per Post eingelegt, erfolgt dies aber einige Tage vor Fristablauf, nimmt der BFH eine Unterrichtungspflicht des Gerichts an. Im Rahmen eines gewöhnlichen Geschäftslaufs sei das Gericht gehalten, den Kläger zu unterrichten, dass er die Klage nicht in der gebotenen elektronischen Form eingelegt habe. Unterbleibt, wie in der Praxis nicht selten, eine solche Unterrichtung, soll Wiedereinsetzung gewährt werden, ohne dass es auf das Verschulden des Klägers oder dessen Bevollmächtigten ankommen soll (BFH vom 31.8.2023, Rn. 9, DStRE 2023, 1448, vgl. dazu unseren Blogbeitrag beSt: Klage in 2023 noch gefaxt? | Streck Mack Schwedhelm (steueranwalt.de)). 

Überdies sind im Rahmen der Prüfung, ob Wiedereinsetzung der Frist gewährt werden kann, verschiedene Urteile bislang davon ausgegangen, dass in solchen Fällen die Pflicht des Steuerberaters bestanden hätte, das sog. fast lane Verfahren bei der Steuerberaterkammer zur Ausgabe des Registierungstoken durchzuführen, um sodann bspw. binnen der Monats-Klagefrist einen Token zu erhalten. Allerdings fehlt in diesen Urteilen bislang jede Beweisaufnahme zu der Frage, ob die konkrete Kammer überhaupt tatsächlich in einer solchen Geschwindigkeit gehandelt hätte, dass die Frist per beSt noch hätte gewahrt werden können. Insofern sollte zu uE zu Protokoll des Finanzgerichts mit Nichtwissen bestritten werden, dass ein solcher Token im Rahmen des fast lane Verfahrens überhaupt innerhalb der gerichtlichen Frist ausgegeben worden wäre. Hierzu kann bspw. Beweis durch Einvernahme des Geschäftsführers der Steuerberaterkammer und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Protokoll beantragt und vorsorglich zu Protokoll des Finanzgerichts die Nichterhebung dieses Beweises am Ende der mündlichen Verhandlung gerügt werden. 

 

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