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Wie man Dividenden steuerfrei an natürliche Personen ausschüttet

- Anmerkung zum Urteil des FG Münster vom 11.10.2019 -

Ausschüttungen aus einer GmbH unterliegen bei natürlichen Personen der Besteuerung mit dem Abgeltungssteuertarif (25 %) oder – wenn die Beteiligung im Betriebsvermögen gehalten wird – zu 60 % dem persönlichen Steuersatz (sog. Teil-einkünfte¬verfahren). Einen eleganten Weg, diese Ausschüttungsbelastung zu vermeiden, zeigt das FG Münster in seiner Entscheidung vom 11.10.2019 (10 K 2506/17 Kap, DStRE 2020, 409) auf. 

I.    Sachverhalt 

Stark vereinfacht lag dem Urteil folgender Sachverhalt zugrunde: 

1.    B war alleiniger Gesellschafter der E-GmbH. B überließ der E-GmbH außerdem das Betriebsgebäude. Steuerlich wird B daher so behandelt, als betreibe er ein Einzelunternehmen (sog. Besitzunternehmen). Die Anteile an der E-GmbH stellen bei ihm Betriebsvermögen dar.

2.    Am 24.8.2016 schüttete die E-GmbH € 2.750.000,-- an den B aus. Sie überwies den nach Abzug der Kapitalertragsteuer verbleibenden Nettobetrag auf das Betriebskonto des B. B transferierte das Geld im Anschluss auf sein Privatkonto. 

3.    Fünf Tage später gliederte B sein Besitzunternehmen auf die neu gegründete B-GmbH zum Buchwert aus (§ 20 Abs. 2 UmwStG). Dies geschah mit steuerlicher Rückwirkung auf den 1.1.2016 (§ 20 Abs. 5 und 6 UmwStG). 

II.    Streitpunkt der Beteiligten

Die Beteiligten stritten nun um Folgendes:

1.     Ohne die Einbringung hätte die Dividende von B nach dem Teileinkünfteverfahren versteuert werden müssen. 60 % der Dividende hätten dem persönlichen Steuersatz von bis zu 45 % unterlegen. Die Einkommensteuerbelastung hätte ca. 27 % (zzgl. Solidaritätszuschlag) betragen (Steuer: ca. € 742.500,--). 

2.    Die rückbezogene Ausgliederung führte (unstreitig) dazu, dass die Ausschüttung nicht mehr unmittelbar dem B, sondern der B-GmbH zuzurechnen ist. Dort unterliegt sie im Ergebnis nur zu 5 % der Körperschaft- und Gewerbesteuer (§ 8b Abs. 1, 5 KStG). Die Steuerbelastung liegt bei ca. 1,5 % (hier: ca. € 41.250,--). Bliebe es dabei, hätte die Gestaltung zu einem steuerlichen Vorteil von ca. € 700.000,-- geführt.
 
3.    Dabei wollte es das Finanzamt aber nicht belassen. Stattdessen ging es – mit Teilen der Literatur – davon aus, dass die Ausschüttung so zu behandeln sei, als hätte die B-GmbH sie an den B weiterausgeschüttet. Diese (gedachte) Weiterausschüttung sei von B nach dem Teileinkünfteverfahren (vgl. 1.) zu versteuern.

III.    Entscheidung des FG Münster

Das FG Münster folgte dem nicht – mit folgender Begründung: 

1.    Vor der Ausgliederung stellte die Überweisung der Ausschüttung auf das Privatkonto des B eine Entnahme aus dem Einzelunternehmen dar (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). 

2.    Durch die rückwirkende Einbringung des Einzelunternehmens wäre diese Entnahme nach § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG an sich als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen.

3.    Dem steht jedoch § 20 Abs. 5 Satz 2 UmwStG entgegen. Danach gilt die Rückwirkungsfiktion des § 20 Abs. 5 Satz 1 UmwStG nicht für Entnahmen, die nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag erfolgen. Um eine solche handelt es sich hier. Es bleibt deshalb dabei dass die Überweisung als Entnahme und nicht als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren ist.

IV.    Stellungnahme

Im Ergebnis hat B durch die Gestaltung die Dividende weitgehend steuerfrei vereinnahmt. B hat ca. € 700.000,-- gespart. 

1.    Kann nicht sein? Doch! § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG stellt die (spätere) Besteuerung der Dividende sicher. Die Norm ordnet an, dass die Anschaffungskosten der Anteile an der übernehmenden Gesellschaft (B-GmbH) um den gemeinen Wert der Entnahmen zu mindern sind. Veräußert B seine Anteile an der B-GmbH eines Tages, kann er von dem Veräußerungserlös mithin nur die um die Entnahme geminderten Anschaffungskosten abziehen. In der Gesamtbetrachtung versteuert B dadurch die Dividende letztlich doch noch nach dem Teileinkünfteverfahren – aber nicht heute, sondern vielleicht irgendwann einmal. Vielleicht? B (oder sein Rechtsnachfolger) versteuert die Dividende nur, wenn er die Anteile tatsächlich eines Tages verkauft oder die B-GmbH liquidiert. Es kann sein, dass dieser Vorgang erst nach Jahrzehnten oder nie eintritt. 

2.    Ist die Steuerersparnis dadurch systemwidrig oder missbräuchlich? Nein! Der Staat besteuert umgekehrt auch Gewinne, die erst künftig oder vielleicht nie entstehen. Dies wäre zB der Fall gewesen, wenn B – weil das Grundstück von der E-GmbH nicht mehr benötigt wird – die Nutzungsüberlassung vor der Ausgliederung beendet hätte. In dem Fall wäre die Betriebsaufspaltung weggefallen. B hätte die stillen Reserven in dem Grundstück und in den GmbH-Anteilen versteuern müssen, obwohl er keinen Veräußerungspreis erzielt hat. Ob er diesen überhaupt jemals realisieren kann, ist völlig ungewiss. Trotzdem greift der Staat zu. Wer A sagt, muss auch B sagen!

Gegen das Urteil ist die Revision beim BFH anhängig (VIII R 35/19). Das letzte Wort ist daher noch nicht gesprochen. Gleichwohl: Die Ausführungen des FG Münster überzeugen.

Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater
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