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Vorsicht bei der teilentgeltlichen Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen!

Grunderwerbsteuerrisiken aufgrund des neuen § 1 Abs. 2b GrEStG!

Im Zuge der Neuregelungen der sog. Share Deals zum 1.7.2021 wurde in Bezug auf grundbesitzende Kapitalgesellschaften der § 1 Abs. 2b GrEStG neu eingefügt. § 1 Abs. 2b GrEStG besteuert Gesellschafterwechsel von grundbesitzenden Kapitalgesellschaften, die innerhalb von zehn Jahren dazu führen, dass sich der Gesellschafterbestand zu 90 % zugunsten von Neugesellschaftern ändert. In diesem Fall fingiert die Norm einen Übergang des Grundbesitzes auf eine fiktive neue Kapitalgesellschaft. Die Norm hat insbesondere auf die Nachfolgegestaltung erhebliche Auswirkungen.

I. Keine Anwendung personenbezogener Befreiungstatbestände

Die personenbezogenen Steuerbefreiungstatbestände des § 3 GrEStG, insbesondere für Übertragungen zwischen Ehegatten (§ 3 Nr. 4 GrEStG) und Verwandten in gerader Linie (§ 3 Nr. 6 GrEStG), greifen - anders als bei schädlichen Gesellschafterwechseln von Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG) - in den Fällen des § 1 Abs. 2b GrEStG nicht. 

Letzteres ist deshalb kritisch, weil dadurch Rechtsvorgänge, die bislang steuerfrei durchgeführt werden konnten, nun der Besteuerung unterliegen. Dies gilt insbesondere bei der Übertragung bereits vereinigter Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf Ehegatten oder Verwandte in gerader Linie. Bislang wurden diese Fälle unter § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG (ggf. iVm. § 1 Abs. 3a GrEStG) subsumiert. Diese Normen fingieren einen Grundstückserwerb des neuen Gesellschafters vom früheren Gesellschafter. Die personenbezogenen Befreiungen sind in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG daher anwendbar.

Seit dem 1.7.2021 geht § 1 Abs. 2b GrEStG dem § 1 Abs. 3 und Abs. 3a jedoch vor. Dadurch verschlechtert sich die Situation für den Steuerpflichtigen erheblich:

Zwar greift in den Fällen der unentgeltlichen Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen weiterhin die Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG. Grunderwerbsteuer entsteht jedoch seit dem 1.7.2021 bei teilentgeltlichen Übertragungen von Gesellschaftsanteilen an Kapitalgesellschaften auch dann, wenn die Empfänger Personen sind, die nach § 3 GrEStG bei unmittelbaren Grundstücksübertragungen begünstigt wären. Bezüglich des entgeltlichen Teils sind weder § 3 Nr. 2 GrEStG, noch die personenbezogenen Steuerbefreiungen des § 3 Nr. 4 bis 6 GrEStG einschlägig.

Beispiel: V hält 100 % der Anteile an der grundbesitzenden K-GmbH. Er überträgt seine Beteiligung vollständig auf seine Tochter T zu einem Kaufpreis, der 55 % des Verkehrswerts der Anteile ausmacht. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 2 GrEStG greift nur bezüglich des unentgeltlichen Teils iHv. 45 %. Zu 55 % liegt ein entgeltlicher Vorgang vor, auf den weder § 3 Nr. 2 GrEStG noch § 3 Nr. 6 GrEStG anwendbar sind.

Gleiches gilt bei Grundstücksschenkungen unter einer Auflage hinsichtlich des Werts der Auflage der Grunderwerbsteuer (vgl. 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG). Soweit eine Anteilsübertragung gemäß § 1 Abs. 2b GrEStG unter Auflage stattfindet, ist der Vorgang hinsichtlich des Werts der Auflage grunderwerbsteuerpflichtig. 

Beispiel: V ist Alleingesellschafter der K-GmbH. Er überträgt seine gesamte Beteiligung auf seine Tochter T unter Nießbrauchsvorbehalt. Der Wert des Nießbrauchsrechts mindert die Schenkungsbelastung. Weil § 3 Nr. 2 GrEStG insoweit nicht greift, ist der Vorgang teilweise grunderwerbsteuerpflichtig.

II. Beratungshinweis

In der Nachfolgeberatung sollte geprüft werden, ob sich die finanzielle Absicherung des Schenkenden anders als durch (Teil-) Entgelte oder Schenkungen unter Auflagen sicherstellen lässt, zB indem Teile des Vermögens zunächst zurückbehalten und erst nach Ablauf der zehnjährigen Frist übertragen werden. 

Beispiel: M ist Inhaberin von 100 % der Anteile an der grundbesitzenden M-GmbH. Sie möchte den Mehrheitsanteil ihrer Tochter T übertragen. Zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer überträgt M der T lediglich 89 % der Anteile. Die restlichen 11 % hält sie zunächst zurück, um sie zehn Jahre später auf ihren Sohn S zu übertragen. Durch diese Gestaltung wird kein Grunderwerbsteuertatbestand verwirklicht.

Bei einer Übertragung der 100 %igen Beteiligung auf ein bisher nicht beteiligtes Familienmitglied ist es außerdem denkbar, zunächst einen kleinen Teil der Anteile zu übereignen und erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist auch die übrigen Anteile dem gleichen Gesellschafter zu überlassen. Bei diesem Gesellschafter handelt es sich dann nicht mehr um einen Neugesellschafter. Vielmehr gilt § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG, so dass die personenbezogenen Steuerbefreiungen (hier: § 3 Nr. 6 GrEStG) anwendbar sind.

Beispiel: Mutter M ist Alleingesellschafterin der grundbesitzenden M-GmbH. Diese möchte sie langfristig auf ihren Sohn S übertragen. M überträgt zunächst 11 % auf S. Nach Ablauf von zehn Jahren folgen die restlichen 89 % der Anteile. § 1 Abs. 2b GrEStG ist in diesem Fall nicht anwendbar. S ist kein Neugesellschafter. Vielmehr finden die §§ 1 Abs. 3 Nr. 3, 3 Nr. 6 GrEStG Anwendung.

Weiterführender Literaturhinweis: STENERT/SASSE, ErbR 2021, 1021 mwN.

Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Rabea Sasse
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