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Update Betriebe gewerblicher Art (BgA) und deren Zusammenfassung

In drei aktuellen Urteilen (vom 18.1.2023 I R 9/19, vom 18.1.2023 I R 16/19, vom 15.3.2023 I R 49/20) bestätigt und konkretisiert der BFH seine Rechtsprechung zum Vorliegen von Betrieben gewerblicher Art (BgA) bei Beteiligungen an Personengesellschaften und zur Zusammenfassung von BgA. 

I.    BgA bei Beteiligung an Personengesellschaften

Der BFH äußerte sich zum Vorliegen von BgA bei der Beteiligung an Personengesellschaften:

  1. Er bestätigt (BFH vom 18.1.2023 I R 9/19), dass die Beteiligung an einer gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft immer einen BgA begründet, auch wenn deren Gegenstand bei der jPöR keinen BgA darstellen würde.
  2. Ist die Personengesellschaft eine Holdinggesellschaft und begründet sie ertragsteuerliche Organschaften mit Tochterkapitalgesellschaften, werden durch die Tätigkeiten der Tochtergesellschaften keine weiteren BgA vermittelt (BFH vom 18.1.2023 I R 16/19).
  3. Ausdrücklich offen ließ der BFH (vom 18.1.2023 I R 9/19), ob eine Mitunternehmerschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts einen oder mehrere BgA vermitteln kann und inwiefern die Anzahl der vermittelten BgA davon abhängt, ob die Mitunternehmerschaft verschiedene Tätigkeiten mit herausgehobener wirtschaftlicher Bedeutung ausübt, die auf Ebene der juristischen Körperschaft des Rechts einen (eigenen) BgA darstellen würden.

II.    Zusammenfassung von BgA
    
Zur Zusammenfassung von BgA bestätigte der BFH (vom 15.3.2023 I R 49/20), dass die frühere Rechtsprechung weiterhin anwendbar ist, nachdem diese im Jahressteuergesetz 2009 in § 4 Abs. 6 KStG kodifiziert wurde.

  1. Gem. § 4 Abs. 6 S. 1 KStG können BgA zusammengefasst werden, wenn sie gleichartig sind (Nr. 1) oder wenn zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigen Gewicht besteht (Nr. 2) oder wenn Versorgungsbetriebe gemäß § 4 Abs. 3 KStG vorliegen (Nr. 3). Hierzu konkretisierte der BFH:
  2. Gleichartigkeit (Nr. 1) liegt vor, wenn die gewerblichen Betätigungen im gleichen Gewerbezweig ausgeübt werden. Hierbei ist in erster Linie auf die gewerbliche Betätigung selbst und damit das äußere Erscheinungsbild des jeweiligen BgA abzustellen und nicht auf die damit verfolgten Ziele. Die übergeordneten Betriebs-zwecke aus Sicht der Trägerkörperschaft sind für die Gleichartigkeit nicht ausschlaggebend. Darüber hinaus kann Gleichartigkeit vorliegen, wenn sich die ge-werblichen Betätigungen zwar unterscheiden, aber einander ergänzen. So können, wenn eine hinreichende funktionelle Verbindung besteht, einander ergänzende gewerbliche Tätigkeiten im Falle unterschiedlicher Produktions- und Vertriebsstufen vorliegen (BFH vom 15.3.2023 I R 49/20).
  3. Die enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht (Nr. 2) konkretisierte der BFH (vom 18.1.2023 I R 9/19) dahingehend, dass diese eine sachliche und eine organisatorische Verflechtung voraussetzt. Die sach-liche Verflechtung liegt vor bei einem inneren wirtschaftlichen Zusammenhang, der nach den Anschauungen des Verkehrs die Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit rechtfertigt. Dabei liegen Anhaltspunkte für eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht regelmäßig dann vor, wenn sich anlässlich des bestimmungsgemäßen Wirtschaftens eines Betriebs gleichzeitig Vorteile für den anderen Betrieb ergeben, die sich nicht allein auf eine Verknüpfung und einer subjektiven Willensentscheidung begründen, sondern zwangsläufig sind, zum Beispiel aufgrund chemischer oder physikalischer Vorgänge. Eine organisatorische Verflechtung kann angenommen werden, wenn diese in einer Personenhandelsgesellschaft organisiert sind. Durch die Personenhandelsgesellschaft erfolgt regelmäßig unter anderem eine einheitliche Buchführung, interne Aufgabenverteilung bzw. Leitung und einheitliche Vertretungsregeln. Eine anderweitige Zusammenfassung wäre allenfalls dann möglich und steuerrechtlich anzuerkennen, wenn die durch die Organisation in Form einer Personengesellschaft zum Ausdruck kommende organisatorische Verflechtung durch gegenläufige Indizien entkräftet würde.
  4. Eine Verrechnung des steuerlichen Ergebnisses des BgA Beteiligung mit einem anderen BgA ist nur möglich nach den Zusammenfassungsgrundsätzen. Eine bloße Einlage in das gewillkürte Betriebsvermögen genügt nicht (BFH vom 18.1.2023 I R 16/19).
  5. Eine einmal erfolgte Zusammenfassung kann auch nicht wieder rückwirkend aufgelöst und anderweitig vorgenommen werden. Insoweit liegt kein (steuerliches) Wahlrecht vor, das bis zu einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung beliebig ausgeübt werden könnte (BFH vom 18.1.2023 I R 9/19).

 

Beraterhinweis: Die klagenden Städte hatten in den Streitfällen keinen Erfolg. Sie hatten teilweise versucht, nach Ablauf des Veranlagungszeitraums Verluste aus den BgA zu verrechnen durch „nachträgliche Zusammenfassung“. Das war zu spät. Für den Berater kommunaler Unternehmen bedeutet das, dass vorausschauende Planung der kommunalen Unternehmensstruktur Not tut. Mit Ablauf des Wirtschaftsjahres engt sich der Gestaltungsspielraum erheblich ein.
 

Dr. Dr. Norbert Mückl
Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht
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