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Unwirksame Veräußerung des Mandantenstamms?

Der Mandantenstamm ist bei Freiberuflern wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung. Bei der Abwicklung oder Veräußerung von Kanzleien kann es sich anbieten, den Mandantenstamm – anders als das Sachinventar – isoliert oder an einen gesonderten Erwerber zu veräußern. Eine vergleichbare Konstellation stand jüngst im Fokus der Rechtsprechung des BGH.

I. Der BGH hat mit Beschluss vom 9.11.2021 (VIII ZR 362/19, NJW-RR 2022, 336) über die Wirksamkeit eines Vertrags über den Kauf des Patientenstamms einer (zahn-)ärztlichen Praxis entschieden. Nach Ansicht des BGH war der Vertrag über den gesonderten Kauf eines Patientenstamms gem. § 134 BGB nichtig, da er gegen das Verbotsgesetz aus § 8 Abs. 5 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte (BO) verstoße.

1. Nach § 8 Abs. 5 BO ist es dem Zahnarzt nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Bei dieser Vorschrift handele es sich – so der BGH - um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. 

2. Die Vereinbarung der Parteien von Werbemaßnahmen innerhalb des Kaufvertrags über die Arztpraxis, insbesondere durch die Umleitung von Telefonanrufen und Aufrufen der Website des Verkäufers auf den Erwerber sowie die Versendung eines Empfehlungsschreibens zugunsten des Erwerbers an die Patienten des Verkäufers für ein Entgelt, stelle ebenfalls, so der BGH weiter, eine Zuweisung im Rahmen der Verbotsnorm dar. 

3. In der Begründung stellt der BGH auf den Schutzzweck der Norm ab, eine ärztliche Behandlung ausschließlich auf der Grundlage medizinischer Erwägungen im Interesse des Patienten durchzuführen. Der Patient müsse sich darauf verlassen können, dass kommerzielle Erwägungen bei der medizinischen Behandlung, zu der auch die Zuweisung zu anderen Ärzten gehöre, keinerlei Rolle spielten.

II. Ob diese Grundsätze bei der isolierten oder gesonderten Übertragung des Mandantenstamms einer Rechtsanwalts- oder Steuerberatungskanzlei gelten, wird – soweit ersichtlich – in Rechtsprechung und Literatur (noch) nicht diskutiert. UE ist die Entscheidung nicht übertragbar.

1. Zwar bestehen für Rechtsanwälte und Steuerberater berufsrechtlich ähnliche Regelungen:

Für Rechtsanwälte regelt § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO:

„Die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, ist unzulässig.“

Für Steuerberater regelt § 9 StBerG:

„Die Abgabe oder Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten oder zu einem Dritten gleich welcher Art, ist unzulässig.“

2. Allerdings ist der Anwendungsbereich der vorgenannten Vorschriften enger. Zahnärzten ist bereits die Zuweisung untersagt, mithin jede Einwirkung auf den Patienten mit der Absicht, dessen Wahl unter Ärzten oder anderen Leistungserbringern zu beeinflussen. Hingegen umfasst das Verbot für Rechtsanwälte und Steuerberater nur Provisionszahlungen für ein konkret vermitteltes Mandant. Wird das Entgelt nicht nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet, greift die Vorschrift nicht ein (hierzu und zum Vorstehenden BVerfG vom 19.2.2008 1 BvR 1886/06, DStR 2008, 1067; siehe auch RING, DStR 2022, 63 (64)).

III. Unschädlich bleibt weiterhin – auch nach Auffassung des BGH (vom 9.11.2021 VIII ZR 362/19, NJW-RR 2022, 336)– die Übertragung eines Mandantenstamms im Rahmen der Veräußerung der gesamten Praxis (vgl. dazu auch mit Blick auf Rechtsanwalts- oder Steuerberatungskanzleien: § 28 Abs. 1 BOStB; hierzu KOSLOWSKI, Steuerberatungsgesetz, 8. Aufl., 2022, § 9 Rz. 3).  

IV. Praxishinweis: Die Argumentation des BGH lässt sich uE nicht auf den Verkauf eines Mandantenstamms durch Rechtsanwälte oder Steuerberater übertragen. Es bleibt indes abzuwarten, ob der BGH seine „harte Linie“ auch auf die rechts- und steuerberatenden Berufe überträgt. Wurde der Mandantenstamm bereits gesondert übertragen, bietet der eingeschränkte Anwendungsbereich der Vorschriften hinsichtlich der steuer- und rechtsberatenden Berufe entsprechende Verteidigungsmöglichkeiten. 

Dr. Torben Gravenhorst
Rechtsanwalt
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Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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