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Umsatzsteuerlicher Sprengsatz bei Abmahnungen im Urheberrecht - Was tun nach BFH vom 13.2.2019 XI R 1/17? -

Der Irrsinn geht weiter:

Nachdem der BFH bereits am 21.12.2016 für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen entschieden hatte, dass das abmahnende Unternehmen durch die Abmahnung eine umsatzsteuerpflichtige Leistung gegenüber dem Abgemahnten erbringt, hat der BFH nunmehr auch in urheberrechtlichen Abmahnsachen nachgezogen. Nach der Entscheidung vom 13.2.2019 sollen Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz für urheberrechtliche Abmahnungen zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und dem von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren sein (BFH vom 13.2.2019 XI R 1/17).

Auch nach dieser Entscheidung gilt: Alles bleibt unklar.

Der Leistungsgegenstand, an den die Umsatzsteuerpflicht knüpfen soll, wird nicht hinreichend benannt. Gegenstand der Leistung soll - so der BFH - sein, dass der Abmahnende dem Abgemahnten trotz dessen Rechtsverletzung einen Weg weist, wie der Abmahnende  - als Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs - ohne Gerichtsverfahren klaglos gestellt wird. Hierdurch soll dem Abgemahnten ein konkreter Vorteil verschafft werden, indem Gerichtsverfahren und -kosten vermieden werden.

Unklar bleibt,

  • ob lediglich die erfolgreiche Abmahnung eine umsatzsteuerbare Leistung darstellt, oder auch eine solche Leistung, bei der sich nachträglich herausstellt, dass der Abgemahnte nicht haftbar ist;
  • wann, sofern eine Leistung lediglich im Fall einer erfolgreichen Abmahnung vorliegt,  und in welchem Voranmeldungszeitraum die Leistung tatsächlich erbracht ist; angeknüpft werden könnte an den Zeitpunkt der Abmahnung, der Zahlung oder der Feststellung, dass die Abmahnung berechtigterweise erfolgt ist;
  • an welche Bemessungsgrundlage die Umsatzsteuerpflicht anknüpft; der BFH-Entscheidung lässt sich lediglich entnehmen, dass sämtliche Aufwendungsersatzentgelte betreffend die Abmahnung der Umsatzsteuer unterworfen werden. Schadensersatz soll hingegen kein umsatzsteuerpflichtiges Entgelt darstellen. Andererseits hat der BFH in der entschiedenen Sachverhaltskonstellation gestattet, dass der dort gegenüber dem Abgemahnten insgesamt geltend gemachte Betrag von € 450,-- als Bemessungsgrundlage herangezogen wurde, wobei dieser Gesamtbetrag möglicherweise auch - dies bleibt in den Entscheidungsgründen unklar - einen Schadensersatzbestandteil beinhaltet haben könnte.

Folge: Den anwaltlichen Beratern, die in Abmahnsachen für Unternehmen tätig werden, stellt sich die grundlegende, im hohen Maße haftungsrelevante Frage, wie zukünftig Aufwendungs- und Schadenersatz abzurechnen sind: Wie und in welcher Höhe sind die gegenüber dem Abgemahnten geltend gemachten Einzelbeträge um die Umsatzsteuer zu erhöhen? Was gilt im Hinblick auf Veranlagungszeiträume vor 2019, in denen möglicherweise Beträge bislang netto geltend gemacht wurden? Welche verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeiten zur nachträglichen Änderung von Steuerbescheiden bestehen? Muss für die Vergangenheit eine Berichtigungserklärung nach § 153 AO abgegeben werden? Bestehen zudem gegenüber dem Abgemahnten nach Maßgabe des § 97a Abs. 3 UrhG zivilrechtliche Nachzahlungsansprüche, wenn bei diesem bislang Netto-Beträge geltend gemacht worden waren (grundlegend: BGH vom 14.1.2000 V ZR 416/97, DStR 2000, 834)? Besteht ein Zurückbehaltungsrecht des Abgemahnten, wenn er keine oder eine fehlerhafte Rechnung erhält oder in der Vergangenheit erhalten hat?

Übergangslösungen bis zu einer Reaktion der Finanzverwaltung  bedürfen sorgfältiger Prüfung im Einzelfall. Parallel arbeiten wir an der Entwicklung einer einheitlichen Branchenlösung.

Dr. Jörg Alvermann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Sportrecht
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Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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