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Strafbarkeitsrisiken durch Ablauf der Abgabefrist für die Grundsteuererklärung?

Als Folge der Grundsteuerreform (insb. Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts vom 26.11.2019, BGBl. I 2019, 1794) ist der gesamte Grundbesitz in Deutschland zum Stichtag 1.1.2022 neu zu bewerten. Betroffen sind rund 36 Mio. Grundstücke. Die für die Neubewertung erforderlichen Daten haben die Grundstückseigentümer und Grundstückseigentümerinnen dem Finanzamt mittels Grundsteuererklärung mitzuteilen. 

Der ursprüngliche Zeitraum zur Abgabe der Grundsteuererklärung lief vom 1.7.2022 bis zum 31.10.2022. Dieser Zeitraum wurde ua. vom Bund der Steuerzahler Deutschland e. V. wegen des hohen Bürokratieaufwandes bei Erstellung der Erklärung als zu kurz bemängelt. Die Abgabefrist wurde daraufhin bis zum 31.1.2023 verlängert. Stand 30.1.2023 wurden jedoch erst 71 % der erwarteten Steuererklärungen abgegeben (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/grundsteuererklaerung-faq-101.html). Für rund ein Viertel der Abgabepflichtigen stellen sich daher Fragen zu möglichen Konsequenzen einer verspäteten Abgabe der Grundsteuererklärung. 

Wurde keine Fristverlängerung gewährt, drohen seit dem 1.2.2023 neben verfahrensrechtlichen Folgen, wie der Festsetzung eines Verspätungszuschlages oder der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, auch steuerstrafrechtliche Risiken: 

Bei strenger Betrachtung beginnt mit dem Verstreichenlassen der gesetzlichen Abgabefrist das Versuchsstadium einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO iVm. § 22 StGB). Für die Grundsteuer könnte mithin der Vorwurf einer versuchten Steuerhinterziehung erhoben werden, soweit der oder die Steuerpflichtige über den 31.1.2023 hinaus untätig bleibt und keine Fristverlängerung eingreift. Allerdings ist ein solcher strafrechtlicher Vorwurf kein Automatismus. Hinzukommen muss, dass das Unterlassen vorsätzlich im Hinblick auf den Eintritt einer Steuerverkürzung geschieht. Ausreichend für einen solchen Vorwurf wäre es allerdings bereits, wenn der oder die Betroffene es aus der Sicht der Behörde konkret für möglich hält und billigt, dass die Steuer durch die eigene Untätigkeit verspätet festgesetzt wird.

Die nachträgliche Abgabe der Grundsteuererklärung kann in derartigen Fällen strafbefreiende Wirkung erlangen. Hierfür müssen entweder die Voraussetzungen des strafbefreienden Rücktritts (§ 24 StGB) oder die noch engeren Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO) vorliegen. Endet das Versuchsstadium beim Unterlassungsdelikt – dies geschieht entweder durch Erlass eines Schätzungsbescheides oder durch Abschluss der Veranlagungsarbeiten –, kommt nur noch die Strafbefreiung mittels Selbstanzeige in Betracht.

Ob die Finanzbehörden steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren in Bezug auf nicht abgegebene Grundsteuererklärungen einleiten werden, bleibt abzuwarten. Auch bleibt abzuwarten, ob mit Blick auf die große Anzahl noch ausstehender Grundsteuererklärungen weitere Fristverlängerungen durch die Bundesländer eingeräumt werden. Bisher wurde die Abgabefrist lediglich in Bayern ein weiteres Mal – nunmehr bis Ende April 2023 – verlängert (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/grundsteuererklaerung-faq-101.html). Die genannten strafrechtlichen Risiken treten dort frühestens nach Ablauf dieser Frist ein.

Haben Sie Fragen zu strafrechtlichen Risiken im Zusammenhang mit der Nichtabgabe von Steuererklärungen oder zur Nacherklärung von Besteuerungsgrundlagen? Sprechen Sie uns gerne an.

Hanna Kracht
Rechtsanwältin
Associate
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Dr. Peter Talaska
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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