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Steuerprobleme bei Wohltätigkeitsveranstaltungen – Verlust der erweiterten Gewerbesteuerkürzung

Ein jüngst veröffentlichtes BFH-Urteil vom 15.6.2023 (IV R 6/20) verdeutlicht, dass auch für einen guten Zweck bestimmte Veranstaltungen steuerliche Probleme bereiten können:

Eine grundbesitzverwaltende GmbH & Co. KG betrieb am ersten Adventswochenende für drei Tage (!) vier Weihnachtsmarktstände. Die Erlöse spendete sie im vollen Umfang an einen gemeinnützigen Verein. So weit, so gut – bis der Betriebsprüfer kam: Er versagte der Gesellschaft die Inanspruchnahme der erweiterten Gewerbesteuerkürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG), weil die Gesellschaft aus seiner Sicht mit den Weihnachtsmarktständen nun auch eine gewerbliche Tätigkeit entfalte. Der BFH gab der Finanzbehörde letztlich Recht: Die Aktivität auf dem Weihnachtsmarkt sei eine kürzungsschädliche gewerbliche Nebentätigkeit iSd. § 15 Abs. 2 EStG.

Dass Finanzbehörden und Rechtsprechung im Umgang mit der erweiterten Gewerbesteuerkürzung „gnadenlos“ sind, ist mittlerweile bekannt. In ständiger Rechtsprechung wiederholt der BFH, dass vom Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch in Bagatellfällen keine Ausnahmen wegen Geringfügigkeit oder des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten seien (so zB noch jüngst BFH vom 20.4.2023 III R 53/20, Rz. 23). Der BFH bleibt dieser Linie leider auch im aktuellen Urteil treu. 

Diese enge Sichtweise greift uE zu kurz. Der Große Senat des BFH hatte in seinem Beschluss vom 25.9.2018 klargestellt: „In diesem ursprünglichen Umfang erweist sich die erweiterte Kürzung so nicht als begünstigende Subventionsnorm, sondern lediglich als Instrument der folgerichtigen Fortschreibung des gewerbesteuerrechtlichen Belastungsgrundes. Diese Auslegungsgrundsätze blieben indessen unbeachtet, verstünde man den Tatbestand der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG allein als beliebige Begünstigung, die von engen tatbestandlichen Erfordernissen abhängig gemacht werden könne“ (GrS 2/16, Rz. 98-99, BStBl. II 2019, 262 m. Anm. v. NÖCKER/CREMERS). Dies ist uE mit dem aktuellen Urteil unvereinbar.

Aber auch unabhängig hiervon hätte im vorliegenden Fall die Spende der Erlöse an die gemeinnützige Organisation stärker gewichtet werden müssen. Die klagende GmbH & Co. KG hat bei dem Betrieb der Weihnachtsmarktstände nie eine Vermögensmehrung erstrebt. Wenn die Erlösspende im Vorhinein kommuniziert wurde, hat die Gesellschaft uE nicht mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt. Nur diese kann aber nach zutreffender Ansicht überhaupt zu einer kürzungsschädlichen gewerblichen Tätigkeit mutieren (so wohl auch BFH vom 31.7.1980 I R 30/77, BStBl. II 1980, 662). 

Hierbei ist insbesondere die spendenbezogene Zweckbindung einer solchen wohltätigen Veranstaltung zu berücksichtigen. Kommuniziert ein Unternehmen im Vorhinein, die Erlöse an eine gemeinnützige Organisation zu spenden, sind die Einnahmen an eine nachfolgende gemeinnützige Verwendung gebunden. Sie fließen der Gesellschaft ähnlich einem Sondervermögen zu, durch das die Gesellschaft nicht bereichert wird. Je nach Ausgestaltung der Veranstaltung und der vorherigen Ankündigung kann hierdurch ein Zweckvermögen, ein Treugut, eine Betriebsausgabe oder eine zivilrechtliche Verbindlichkeit gegenüber den Veranstaltungsgästen und/oder der gemeinnützigen Organisation entstehen. Dies hätte im vorliegenden Fall bereits im finanzgerichtlichen Verfahren näher aufgeklärt werden müssen. 

Für die Praxis folgt hieraus: Auch wohltätige Veranstaltungen müssen sorgfältig auf ihre steuerlichen Folgen geprüft werden – und dies nicht nur in gewerbesteuerlicher Hinsicht. Aufgrund des nur eingeschränkten ertragsteuerlichen Spendenabzugs müssen uU bei charity-Aktionen gewerbliche Einkünfte versteuert werden, während die Erlösabführung zu gemeinnützigen Zwecken im Jahr des Zuflusses im Regelfall nur bis zu 20 % der Gesamteinkünfte als Sonderausgaben abgezogen werden kann. Unter Umständen sollte daher geprüft werden, derartige Aktivitäten nicht selbst, sondern direkt von einer gemeinnützigen Organisation durchführen zu lassen. 

Zur Vermeidung der Kürzungsschädlichkeit müsste die grundbesitzverwaltende KG die vermeintlich gewerbliche Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Weihnachtsmarkt künftig auslagern. Alternativ könnte man erwägen, die Leistungen/Verkäufe unentgeltlich anzubieten und stattdessen zu Spenden an die gemeinnützige Organisation aufzurufen. Dies setzt aber eine entsprechend klare Kommunikation und Umsetzung vor Ort voraus und beinhaltet das Risiko, dass die freiwilligen Spenden hinter den potenziellen Verkaufserlösen zurückbleiben. In diesem Fall würde die grundbesitzverwaltende Gesellschaft jedenfalls kein kürzungsschädliches Entgelt aus einer vermeintlich gewerblichen Tätigkeit erzielen, so dass uE die erweiterte Kürzung zu gewähren wäre (so auch etwa BFH vom 21.7.2016 IV R 26/14, Rz. 64, BStBl. II 2017, 202).
 
Im konkreten Urteilsfall bleibt ein schaler Beigeschmack – gemeinnütziges altruistisches Engagement wurde steuerlich hart bestraft. Vielleicht bringt wenigstens die zuständige Gemeinde durch eine Billigkeitsentscheidung (§§ 163, 227 AO) diese Weihnachtsgeschichte noch zu einem „Happy End“.

Dr. Oliver Cremers
Rechtsanwalt
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Dr. Jörg Alvermann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Sportrecht
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