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Reform des sozialversicherungsrechtlichen Statusfeststellungsverfahrens

Fehlerhafte sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilungen können existenzgefährdend sein. Beanstandungen durch die Träger der Rentenversicherung in Betriebsprüfungen gem. § 28p SGB IV können zu Beitragsnachforderungen rückwirkend bis zu vier Jahren, bei Vorsatz bis zu dreißig Jahren führen (§ 25 Abs. 1 SGB IV). Daneben drohen beitragsrechtlich bei Vorsatz die Festsetzung von Säumniszuschlägen iHv. 12 % (§ 24 SGB IV) und die Anwendung der sog. Nettolohnfiktion bei der Berechnung des Arbeitsentgelts gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit kann der Verzicht auf ein Statusfeststellungsverfahren gem. § 7a SGB IV vorwerfbar sein (BSG vom 9.11.2011 B 12 R 18/09 R, DStR 2012, 662). 

Die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens kann diesem Vorsatzvorwurf begegnen und Rechtssicherheit schaffen. Das Statusfeststellungsverfahren wurde zum 1.4.2022 reformiert und bietet nunmehr neue Instrumentarien und einen insgesamt weiteren Anwendungsbereich:  

1. Seit dem 1.4.2022 entscheidet die Deutsche Rentenversicherung (DRV) nur noch über den Erwerbsstatus (Elementenfeststellung), nicht mehr über die Versicherungspflicht. Das Verfahren ist damit auf die Feststellung beschränkt, ob eine Beschäftigung oder selbständig Tätigkeit vorliegt. Aufgrund dieses reduzierten Prüfungsumfangs dürften die Bearbeitungszeiten künftig beschleunigt und für die Beteiligten schneller Rechtsklarheit geschaffen werden.

2. Seit dem 1.4.2022 erhält die DRV bei Dreiecksverhältnissen die Kompetenz, eine Tätigkeit umfassend und nicht nur begrenzt auf das jeweilige Rechtsverhältnis zu beurteilen. Sofern die DRV ein Beschäftigungsverhältnis feststellt, ermöglicht § 7a Abs. 2 Satz 2 SGB IV auch die Feststellung, ob dieses zu dem Dritten besteht. Der Dritte erhält gemäß § 7 a Abs. 2 Satz 3 SGB IV ein eigenes Antragsrecht. 

3. Gem. § 7 Abs. 4 a SGB IV besteht nun die Möglichkeit einer Prognoseentscheidung bereits vor Aufnahme der Tätigkeit. Der Prognoseentscheidung sind neben den schriftlichen Vereinbarungen die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zugrunde zu legen. Ändern sich diese bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen.

4. § 7a Abs. 4b SGB IV ermöglicht bei gleichen Auftragsverhältnissen Gruppenfeststellungen zu treffen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zugrunde liegen. Das Instrument der Gruppenfeststellung ist allerdings nicht als Verwaltungsakt ausgestaltet, sondern als gutachterliche Äußerung. Die Gruppenfeststellung führt daher nicht zu einer Bindungswirkung und damit auch nicht zu umfassender Rechtssicherheit. 

5. Neu ist schließlich die Möglichkeit eines Antrags auf mündliche Anhörung im Widerspruchsverfahren; § 7a Abs. 6 Satz 2 SGB IV. 

Die Praxistauglichkeit der Änderungen bleibt abzuwarten. Der Gesetzgeber hat diese vorsorglich zunächst bis zum 30.6.2027 befristet, § 7 a Abs. 7 Satz 1 SGB IV. Die DRV ist verpflichtet, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31.12.2025 einen Erfahrungsbericht vorzulegen.  

Dr. Christian Bertrand
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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