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Positive Rechtsprechungsänderung beim Verkauf des Erbanteils

I. Hintergrund: Private Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken

Veräußert ein Steuerpflichtiger innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung ein Grundstück, verwirklicht er den Tatbestand eines steuerpflichtigen privaten Veräußerungsgeschäfts (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Die Vorschrift unterwirft Wertsteigerungen von im Privatvermögen gehaltenen Immobilien der Einkommensteuer, sofern die Mindesthaltezeit unterschritten wird. 

Nach bisheriger Auffassung des BFH (vom 20.4.2004 IX R 5/02, BStBl. II 2004, 987) und der Finanzverwaltung (BMF vom 14.3.2006 IV B 2 - S 2242 - 7/06, ZEV 2006, 154) stellte es ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft dar, wenn ein Miterbenanteil gekauft und später eine darin enthaltene Immobilie veräußert wird. Wird beginnend mit Kauf die vorgenannte zehnjährige Haltefrist (auch nur um einen Tag) unterschritten, unterfällt der gesamte Veräußerungsgewinn (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG) der Einkommensteuer (vgl. RATSCHOW in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 23 EStG Rz. 220 (Nov. 2023)). 


II. Entscheidung des BFH vom 26.9.2023

Mit seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung vom 26.9.2023 IX R 13/22 (DStR 2024, 22) Entscheidung Detail | Bundesfinanzhof rückt der BFH ausdrücklich von dieser Linie ab.

Im Entscheidungsfall war der Kläger Mitglied einer Erbengemeinschaft. Zum Nachlass gehörte auch ein Grundstück. Die zehnjährige Haltefrist des Erblassers war – soweit ersichtlich – bereits abgelaufen. Der Steuerpflichtige erwarb die übrigen Erbanteile mit den darin enthaltenden Grundstücksanteilen. Im folgenden Jahr veräußerte er das Grundstück. Streitig war, ob durch den Erwerb des Miterbenanteils eine neue Haltefrist begann, gegen die durch die Veräußerung verstoßen wurde. Der BFH verneinte – im Unterschied zu seiner bisherigen Rechtsprechung - ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft. Er stützt sich auf folgende Überlegungen:

Bisher anerkannte und weiter geltende Voraussetzung eines privaten Veräußerungsgeschäfts ist die Identität zwischen dem erworbenen und veräußerten Wirtschaftsgut (BFH vom 6.4.2011 IX R 41/10, BFH/NV 2011, 1850). Diese fehle zwischen dem gekauften Erbanteil und dem später veräußerten Grundstück, auch wenn das Grundstück der Erbengemeinschaft und damit dem gekauften Erbanteil zuzurechnen sei. Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer gesamthänderischen Beteiligung führe nicht zur (anteiligen) Anschaffung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens. Soweit der BFH dies bisher anders sah, hält er hieran nicht fest. Maßgeblich sei eine zivilrechtliche Betrachtungsweise. Der Erwerb einer gesamthänderischen Beteiligung sei bei zivilrechtlicher Betrachtung kein Erwerb eines Grundstücks. Eine gesamthänderische Beteiligung vermittele keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und infolgedessen auch kein Verfügungsrecht des Einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Dies gelte auch, wenn sich im Gesamthandsvermögen ausschließlich Grundstücke befinden.

Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Demnach werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zustehen, den Beteiligten oder Gesellschaftern anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Die Norm komme nur zur Anwendung, wenn die Einkünfte von der Gesamthand und nicht (nur) von den Gesamthändern erzielt werden. Hier wurden die Einkünfte von den Gesamthändern erzielt.  
Ebenfalls begründe die Sondervorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG keine Steuerpflicht. Danach gilt die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter. Erbengemeinschaften seien - so der BFH - keine Personengesellschaften. Aufgrund des klaren Wortlauts der Norm scheide eine entsprechende Anwendung aus. 


III. Würdigung der Entscheidung

Die Entscheidung des BFH vom 26.9.2023 (IX R 13/22, DStR 2024, 22) Entscheidung Detail | Bundesfinanzhof überzeugt. Sie ist für die Steuerpflichtigen erfreulich und bietet wichtige Ansätze für die Gestaltungsberatung. Verkauft ein Mitglied der Erbengemeinschaft rechtlich lediglich seinen Erbteil und nicht den darin enthaltenden Grundstücksanteil, beginnt die Haltefrist nicht erneut zu laufen. Ein separater Veräußerungstatbestand wird nicht ausgelöst. Der Verkauf des Grundstücks kann nun grundsätzlich steuerfrei erfolgen. Hieran ändert sich auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 1.1.2024 nichts. Die Erbengemeinschaft bleibt weiterhin eine nicht rechtsfähige Gesellschaft und eine Gesamthand (§§ 705 Abs. 2 2. Alt.; 2032 BGB; vgl. WEIDLICH in Grüneberg, BGB, 83. Aufl., 2024, § 2032 Rz. 1).

Die Grundsätze des BFH sind auch dann relevant, wenn – anders als im Entscheidungsfall – die Behaltefrist im Zeitpunkt des Todes noch nicht abgefallen war. Erbt der Steuerpflichtige eine kürzlich vom Erblasser angeschaffte Immobilie, läuft die Haltefrist nicht vom Erwerb im Todesfall an, sondern vom Zeitpunkt der Anschaffung durch den Erblasser (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG; vgl. hierzu TIEDTKE/WÄLZHOLZ, ZEV 2004, 296). Dies gilt grundsätzlich auch für die Erbengemeinschaft, wenn sich diese ohne Ausgleichs- und Abfindungszahlungen auseinandersetzt (TROSSEN in BeckOK EStG, § 23 Rz. 237 (Okt. 2023)). Kommt es nicht zur aufteilenden Auseinandersetzung, sondern verkauft ein Miterbe seinen Erbanteil innerhalb der durch den Erblasser vor seinem Tod initiierten Zehnjahresfrist (an einen anderen Miterben oder einen Dritten), liegt nach den Grundsätzen des BFH keine steuerpflichtige Veräußerung des im Erbanteil enthaltenen Grundstücksteils vor (so auch TROSSEN, DStR 2024, 24). Erst wenn der den Erbteil kaufende Miterbe oder Dritte das Grundstück innerhalb der durch den Erblasser initiierten 10-Jahresfrist veräußert, tritt die Steuerpflicht gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG ein. 

 

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Torben Gravenhorst
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