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Neues EuGH-Urteil zur Umsatzsteuerbefreiung im Sport
Der EuGH hat mit einem aktuellen Urteil vom 10.12.2020 (Az.: C-488/18 „Golfclub Schloss Igling e.V.“) wichtige Aussagen zur Reichweite der Umsatzsteuerbefreiung im Sport getroffen. Das Urteil führt teils zu einer Einschränkung, teils zu einer möglichen Erweiterung der bisherigen Steuerbefreiungsmöglichkeit. Insbesondere Sportvereine und -verbände müssen ihre Befreiungsmöglichkeiten neu überprüfen.
Urteilsfall und Streitfragen
Kläger ist ein e.V., der einen Golfclub betreibt und nicht als gemeinnützig iSd. §§ 51 ff. AO anerkannt ist. Der Golfclub begehrte die Umsatzsteuerbefreiung für Startgelder für die Teilnahme an Golfturnieren, Einnahmen aus der Nutzung des Golfplatzes („Greenfee“) und der Vermietung von Golfbällen und Caddies, die sowohl Mitglieder als auch Nichtmitglieder entrichteten. Das Finanzamt versagte die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. b) UStG, da nach dieser Vorschrift nur „Teilnehmergebühren zu sportlichen Veranstaltungen“ zu befreien sind, die von Einrichtungen erbracht werden, „die gemeinnützigen Zwecken dienen“.
Das Finanzgericht München gab der Klage des Golfclubs vollumfänglich statt. Nach seiner Auffassung konnte sich der Golfclub auf die deutlich weitergehende Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m) MwStSystRL berufen: Das EU-Recht befreit nämlich „bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport und Körperertüchtigung ausüben“.
Nach bislang ständiger BFH-Rechtsprechung konnten sich Steuerpflichtige insoweit auf das weitergehende EU-Recht berufen, wenn sie eine umfangreichere Befreiung ihrer Sportdienstleistungen erreichen wollten. Im Revisionsverfahren gegen das finanzgerichtliche Urteil äußerte der BFH aber nun Zweifel an seiner bisherigen Rechtsprechung. Denn mit dem Urteil vom 15.2.2017 (Az.: C-592/15 „British Film Institute“) verneinte der EuGH eine solche Berufungsmöglichkeit für den Bereich der Kultur und die entsprechende EU-Norm ähnelt der für den Sport. Der BFH rief daher den EuGH zur Klärung an.
Entscheidung des EuGH
Hierzu entschied der EuGH im Besprechungsurteil:
1. Hinsichtlich des Umfangs der Leistungen, die im Zusammenhang mit der Ausübung von Sport oder Körperertüchtigung von der Umsatzsteuer zu befreien sind, steht den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum zu. Daher scheidet eine Berufungsmöglichkeit auf das EU-Recht aus, wenn das nationale Recht insoweit hinter dem EU-Recht zurückbleibt.
2. Der Begriff der „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ ist ein autonomer Begriff des EU-Rechts. Als eine solche Einrichtung können nur Einrichtungen eingestuft werden,
- die keine systematische Gewinnerzielung anstreben und die die Gewinne, die trotzdem anfallen, nicht verteilen, sondern zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten (umsatzsteuerfreien) Leistungen verwenden,
- deren Vermögen fortwährend der Verwirklichung des von ihr verfolgten Zwecks dient und
- deren Vermögen nach Auflösung der Einrichtung nicht auf ihre Mitglieder übertragen werden kann, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder und den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigt.
Beraterhinweise
Der BFH wird in seinem anstehenden Folgeurteil (Az.: V R 20/17) die EuGH-Vorgaben umsetzen. Zu erwarten ist:
1. Die Beschränkung im nationalen Recht, nur Teilnehmergebühren für sportliche Veranstaltungen von der Umsatzsteuer zu befreien, ist nach dem jetzt ergangenen EuGH-Urteil europarechtskonform (zum Begriff der sportlichen Veranstaltung s. Abschn. 4.22.2 UStAE und ALVERMANN/ESTEVES GOMES in Wäger, UStG, 1. Aufl., 2020, § 4 Nr. 22 Rz. 35 ff.). Die bisherige Berufungsmöglichkeit auf das weitergehende EU-Recht für weitergehende Sportdienstleistungen fällt weg. So werden im Streitfall die Einnahmen des Golfclubs aus Greenfee und Vermietung von Golfbällen und Caddies umsatzsteuerpflichtig.
2. Für die Vergangenheit genießen u.E. betroffene Steuerpflichtige Vertrauensschutz im Hinblick auf die bisherige BFH-Rechtsprechung.
3. Allerdings eröffnet das EuGH-Urteil auch Chancen: Nach den eindeutigen Vorgaben geht der EU-rechtliche Begriff der „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ über die deutsche Gemeinnützigkeit hinaus. So ist auch ein Verein, der nicht als gemeinnützig anerkannt ist, in aller Regel eine „Einrichtung ohne Gewinnstreben“, wenn nach seiner Satzung (wie im Regelfall) die Mitglieder weder während des Bestehens noch bei der Auflösung des Vereins Vermögenszuwendungen erhalten. § 4 Nr. 22 Buchst. b) UStG ist daher u.E. insoweit rechtswidrig, als er nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, Volkshochschulen sowie Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, die Befreiung eröffnet.
4. Die Ausführungen des EuGH sprechen u.E. dafür, dass nun auch nicht gemeinnützige Sportorganisationen die Befreiung für „Teilnehmergebühren zu sportlichen Veranstaltungen“ erreichen können. Ob dies bereits im Wege einer europarechtskonformen Gesetzesauslegung des nationalen Rechts oder eines – u.E. insoweit weiterhin zulässigen – Berufens auf das EU-Recht erfolgen kann, wird der BFH im Folgeurteil zu entscheiden haben. Hierbei ist zu beachten, dass eine unmittelbare Erweiterung des § 4 Nr. 22 Buchst. b) UStG für viele Sportorganisationen auch nachteilig sein kann, weil sie im Falle der Befreiung den Vorsteuerabzug verlieren.
5. Fazit: Sowohl gemeinnützige als auch nicht gemeinnützige Sportorganisationen werden die Möglichkeiten ihrer Umsatzsteuerbefreiung neu justieren müssen. Hieraus können sich zum Jahreswechsel auch Auswirkungen auf die Preiskalkulationen ergeben. Das Folgeurteil des BFH wird in 2021 nicht lange auf sich warten lassen. Berater und Organisationen sollten hieraus aber nicht nur Nachteile erwarten: Vor allem für nicht gemeinnützige Vereine sollten die Berater prüfen, ob Umsatzsteuerfestsetzungen offen gehalten und ggf. zum bevorstehenden Jahreswechsel noch verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen werden müssen.