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Höhere Hürden (des Finanzamts) bei der Vorsatzanfechtung

Nach § 133 Abs. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechten, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte (sog. Vorsatzanfechtung). Erforderlich ist damit ein „Benachteiligungsvorsatz“ des Schuldners sowie eine entsprechende Kenntnis des anderen Teils. Der BGH hat mit seiner Entscheidung vom 6.5.2021 (IX ZR 72/20, BB 2021, 1665) seine bisherige Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung aufgegeben und die Hürden zur Bejahung des subjektiven Tatbestand erhöht.

Der BGH stellt klar, dass die Annahme der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nicht (mehr) allein darauf gestützt werden kann, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung anerkanntermaßen zahlungsunfähig ist. Vielmehr setzt – so der BGH – der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners in diesen Fällen zusätzlich voraus, dass der Schuldner im maßgeblichen Zeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine (übrigen) Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können. Dies richtet sich nach den ihm bekannten objektiven Umständen. Dementsprechend ist für den Nachweis der Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners erforderlich, dass der Anfechtungsgegner (der andere Teil) im Falle der erkannten Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im maßgeblichen Zeitpunkt nach den objektiven Umständen wusste, dass der Schuldner seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht wird befriedigen können.

Die vorgenannte Entscheidung hat über das Insolvenzrecht hinaus Bedeutung. Im Steuerrecht ist die Vorsatzanfechtung insbesondere in den Fällen der sog. Kontenleihe relevant (vgl. hierzu unseren Newsletter vom 30.8.2019). Maßgeblich ist hier der wortgleiche § 3 AnfG. Im Fall der Kontenleihe stellt der Steuerpflichtige sein Konto einem Dritten, zB seinem Ehegatten, zur Verfügung. Wird in diesen Konstellationen der Ehegatte zahlungsunfähig, bejaht das Finanzamt (oftmals vorschnell) einen „Benachteiligungsvorsatz“ und entsprechende Kenntnis. In diesen Konstellationen bietet die Entscheidung des BGH Verteidigungsmöglichkeiten, den – häufig pauschalen – Feststellungen des Finanzamts entgegenzutreten. 
 

Dr. Torben Gravenhorst
Rechtsanwalt
Associate
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