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Handlungsbedarf bei großen Immobilienvermögen

Unternehmensvermögen kann auch nach der (zu Recht) viel gescholtenen Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes unter bestimmten Voraussetzungen begünstigt, im Idealfall sogar steuerfrei übertragen werden (§§ 13a bis 13c ErbStG). Dies gilt jedoch im Grundsatz nicht für vermietete oder verpachtete Immobilien (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG).

Anders ist es bei Unternehmen, deren Hauptzweck auf die Vermietung von Wohnimmobilien gerichtet ist (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 lit. d) ErbStG). Wird die Beteiligung an einem solchen Unternehmen übertragen, sind auch die fremdgenutzten Immobilien (sogar solche, die nicht zu Wohnzwecken, sondern zB gewerblichen Zwecken, vermietet oder verpachtet werden) Teil des (ganz oder teilweise steuerfreien) begünstigten Vermögens. Voraussetzung ist jedoch insbesondere, dass die Tätigkeit der Wohnungsverwaltung einen wirtschaftlichen Geschäfts-betrieb (§ 14 AO) erfordert. Die Finanzverwaltung ging bislang davon aus, dass diese Voraussetzung regelmäßig dann erfüllt ist, wenn das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält (A 13b.17 Abs. 3 Satz 2 AEErbSt 2017).

Dem hat sich der BFH mit Urteil vom 24.10.2017 (II R 44/15, BStBl. II 2018, 358) entgegengestellt. Auf die Anzahl der vermieteten Wohnungen kommt es danach nicht an. Vermietete Wohnungen sollen stattdessen nur dann zum begünstigten Vermögen gehören, wenn das Unternehmen neben der Vermietung Zusatzleistungen erbringt, die das bei langfristigen Vermietungen übliche Maß überschreiten (zB die Reinigung der vermieteten Wohnungen). Diese Voraussetzungen werden häufig nicht erfüllt. Für zahlreiche Immobilienvermögen bedeutet dies, dass bei einer unentgeltlichen Übertragung statt einer Steuerbefreiung von 85 % bis 100 % allenfalls eine Steuerbefreiung von 10 % in Betracht kommt (§ 13d ErbStG).

Positiv ist daher, dass die Finanzverwaltung das Urteil nicht anwendet (Gleichlautende Ländererlasse vom 23.4.2018, BStBl. I 2018, 692). Noch sind begünstigte Übertragungen von Unternehmen mit mehr als 300 eigenen Wohnungen somit auch dann möglich, wenn neben der Vermietung keine relevanten Zusatzleistungen erbracht werden. Wie lange dies noch der Fall sein wird, ist jedoch ungewiss. Spätestens wenn der BFH Gelegenheit erhält, seine Rechtsprechung in weiteren Urteilen zu bestätigen, wird auch die Finanzverwaltung ihre Rechtsansicht überdenken. Für Inhaber großer Immobilienbestände kann es sich daher steuerlich lohnen, die Vermögensnachfolge zeitnah anzugehen.

Dr. Jens Stenert
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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