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Gesetzgebung: Bald erweiterte Anzeige- und Berichtigungspflichten nach Außenprüfung?

§ 153 AO verpflichtet den Steuerpflichtigen zur Anzeige und Berichtigung, wenn er nachträglich erkennt, dass eine abgegebene Steuererklärung fehlerhaft war. Diese allgemeine Regel wird nun durch eine spezielle erweitert. Am 10.11.2022 hat der Bundestag den Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 19.9.2022 zur Umsetzung der sog. DAC 7-Richtlinie der EU (BT-Drs. 20/3436) angenommen, in dem vorgesehen ist, dem § 153 AO folgenden neuen Absatz 4 anzufügen: 

„Die Anzeige- und Berichtigungspflicht besteht ferner, wenn Prüfungsfeststellungen einer Außenprüfung unanfechtbar in einem Steuerbescheid, einem Feststellungsbescheid nach § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder einem Teilabschlussbescheid nach § 180 Absatz 1a umgesetzt worden sind und die den Prüfungsfeststellungen zugrunde liegenden Sachverhalte auch in einer anderen vom oder für den Steuerpflichtigen abgegebenen Erklärung, die nicht Gegenstand der Außenprüfung war, zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt.“

Die Regelung gilt erstmals für Veranlagungszeiträume, für die nach dem 31.12.2024 mit einer Außenprüfung begonnen wird. 

Der Wortlaut des neuen Abs. 4 ist sperrig. Sein Anwendungsbereich erhellt sich an einem Beispiel: 

Beim Einzelunternehmer A findet eine Außenprüfung zur Einkommensteuer 2020 statt. Der Prüfer korrigiert die Höhe der Abschreibung für ein bestimmtes Wirtschaftsgut im VZ 2020 nach unten und erhöht den Gewinn aus Gewerbebetrieb entsprechend. In der Schlussbesprechung wird Einigung über diesen Punkt erzielt. Der Außenprüfungsbericht wird mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2020 umgesetzt, ein Einspruch hiergegen wird nicht eingelegt. Auch im VZ 2021 hat A das Wirtschaftsgut in der bisherigen Höhe steuermindernd abgeschrieben. Das Finanzamt hatte in der Vergangenheit erklärungsgemäß veranlagt.  

Gemäß § 153 Abs. 4 AO-E wäre nun A verpflichtet, die Steuererklärung für 2021 entsprechend den Prüferfeststellungen für 2020 zu korrigieren.          

Die geplante neue Anzeige- und Berichtigungspflicht greift nur ein, wenn ein näher spezifizierter bestandskräftiger Verwaltungsakt nach einer Außenprüfung vorliegt und der darin berücksichtigte Sachverhalt Auswirkungen auf andere Besteuerungsgrundlagen hat. Das können andere, nicht geprüfte Steuerarten oder Feststellungen sein, aber auch Folgezeiträume von Steuerarten, die während der Außenprüfung geprüft wurden. Der Gesetzgeber hat dabei vor allem anschlussgeprüfte Unternehmen im Blick. Die Vorschrift soll Anschlussprüfungen beschleunigen, indem Jahresabschlüsse schneller an die Ergebnisse der Vorprüfungen angepasst werden. Mit anderen Worten: Der Anschlussprüfer soll sich nicht erneut mit den Streitpunkten der Vorprüfung befassen müssen.

Indes ist fraglich, ob hierfür eine Spezialvorschrift erforderlich ist. Denn eine Korrekturverpflichtung könnte sich im beschriebenen Sachverhalt bereits unmittelbar aus § 153 Abs. 1 AO ergeben, wenn man annimmt, dass die Ursprungserklärung im konkreten Fall „unrichtig“  war.

Auch die systematische Verortung erscheint problematisch. Während § 153 Abs. 1 AO eine (gestufte) Anzeige- und Berichtigungspflicht vorsieht, enthalten die Absätze 2 und 3 nur Anzeigepflichten. Angesichts der Formulierung „die Anzeige- und Berichtigungspflicht“ wäre die Neuregelung daher als neuer Absatz 1 Satz 3 passender platziert.     

Daneben bringt die Neuregelung schwierige Auslegungs- und Abgrenzungsfragen mit sich. Muss die Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 4 AO-E ebenfalls unverzüglich erfolgen? Ist die Kenntnis als fristauslösendes Moment der Unverzüglichkeit schon mit Bekanntgabe des Prüfungsberichts (oder bereits bei erstmaliger Mitteilung während der Prüfung) anzunehmen? Dem stünde wohl das Erfordernis der Unanfechtbarkeit des geänderten Steuerbescheids entgegen. Kommt es somit also auf die Bekanntgabe des geänderten Steuerbescheides an? Oder auf den Entschluss des Steuerpflichtigen, keinen Einspruch einzulegen? Oder auf den Ablauf der Einspruchsfrist? Oder auf den Wegfall des Vorbehalts der Nachprüfung (materielle Bestandskraft)?   

Im Ergebnis erhöht die beabsichtigte Erweiterung der Anzeige- und Berichtigungspflichten nach Außenprüfungen die steuerstrafrechtlichen Risiken für den Steuerpflichtigen: Erfolgt die Anzeige nicht unverzüglich, droht dem Steuerpflichtigen die Gefahr, sich wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar zu machen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Straffreiheit kann dann nur noch mit einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO erreicht werden.  

Michael Görlich
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Senior Associate
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