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Geplante Gesetzesänderung zum Umsatzsteuersatz für gemeinnützige Organisationen

Nach dem Referentenentwurf und dem Regierungsentwurf zum Wachstumschancengesetz soll der Anwendungsbereich des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für gemeinnützige Organisationen abgesichert werden. Gleichwohl verbleiben Steuerrisiken, die es zu beachten gilt. Ein Nachjustieren des Gesetzgebers wäre wünschenswert. 

 

I. Aktuelle Gesetzeslage

Grundsätzlich gewährt § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG Körperschaften, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke iSd. §§ 51-68 AO verfolgen (zB gemeinnützigen Vereinen), den ermäßigten Umsatzsteuersatz. Dieser greift nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG nicht, soweit die Umsätze nicht im gemeinnützigen Bereich, sondern in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erbracht werden. Für sog. Zweckbetriebe iSd. §§ 65-68 AO, also gemeinnützige Geschäftsbetriebe, enthält Satz 3 der Vorschrift eine nur schwer verständliche Differenzierung: Der ermäßigte Umsatzsteuersatz soll nur dann greifen, wenn - so der kaum verständliche Gesetzeswortlaut - „der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht.“ 

 

II. Problemfälle 

Die ohnehin streitanfällige Gesetzesvorschrift wird durch den BFH zudem restriktiv ausgelegt: Aufgrund einer (vermeintlichen) Unionsrechtswidrigkeit (vgl. zuletzt BFH v. 5.4.2023 – V R 14/22, mit kritischer Anmerkung von Alvermann/Esteves Gomes, DStR 2023, 1715) wendet der BFH die Einschränkung des ermäßigten Steuersatzes entgegen den Verwaltungsrichtlinien nicht nur auf die spezialgesetzlichen Zweckbetriebe nach §§ 66-68 AO, sondern auch auf die klassischen, zur Erfüllung der gemeinnützigen Satzungszwecke erforderlichen Betriebe gem. § 65 AO an (vgl. BFH v. 26.8.2021 – V R 5/19, DStR 2021, 2895). Ferner verlangt der BFH im Regelfall eine Leistungserbringung an die vom gemeinnützigen Zweck erfassten Leistungsempfänger und verneint daher zB die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Gastronomieleistungen und Zurverfügungstellung einer öffentlichen Toilette durch Inklusionsbetriebe (vgl. BFH v. 23.7.2019 - XI R 2/17, DStR 2019, 2476). 

 

III. Änderung des EU-Rechts

Zwischenzeitlich wurden die europarechtlichen Vorgaben der MwStSystRL (Art. 98 iVm. Anhang III Nr. 15 idF ab dem 6.4.2022) geändert und zugunsten der gemeinnützigen Organisationen erweitert.  Allerdings geht der BFH davon aus, dass die Richtlinienänderung – vereinfacht formuliert – für die Vergangenheit keine Heilung der Unionsrechtswidrigkeit bringt und hat die Folgen für die Zukunft zumindest offengelassen (vgl. BFH v. 5.4.2023 – V R 14/22, DStR 2023, 1711). 

 

IV.  Gesetzesvorhaben

Vor diesem Hintergrund beabsichtigt der nationale Gesetzgeber nunmehr, durch das Wachstumschancengesetz der einschränkenden BFH-Rechtsprechung entgegenzuwirken: Durch Anpassung des Wortlauts von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG soll klargestellt werden, dass für allgemeine Zweckbetriebe nach § 65 AO – entsprechend der bisherigen Verwaltungsauffassung – stets der ermäßigte Umsatzsteuersatz gilt. Darüber hinaus sollen durch einen neuen Satz 4 auch Zweckbetriebe nach §§ 66 bis 68 AO gestärkt werden: Sie erhalten den ermäßigten Steuersatz jedenfalls dann, wenn die Leistungsempfänger oder an der Leistungserbringung beteiligte Personen vom steuerbegünstigten Zweck der Einrichtung erfasst werden. 

 

V. Problem: Zeitlicher Anwendungsbereich

In der Begründung zum Referentenentwurf und zum Regierungsentwurf wird davon ausgegangen, dass es sich um „klarstellende Gesetzesänderungen“ gemäß der Verwaltungsauffassung handelt, die somit auch für Umsätze vor Inkrafttreten des Wachstumschancengesetzes zugunsten der gemeinnützigen Organisationen zu beachten sind. Dies ist mE zutreffend. Allerdings vertritt der BFH hierzu eine kritischere Auffassung (vgl. BFH v. 5.4.2023 – V R 14/22, DStR 2023, 1711). Somit besteht die Gefahr, dass die Rechtsprechung die Erweiterungen erst für Umsätze ab Inkrafttreten des Wachstumschancengesetzes, voraussichtlich also erst für Umsätze ab Ende 2023, zugunsten der gemeinnützigen Organisationen berücksichtigen könnte, insbesondere im Rahmen von sog. Konkurrentenklagen. 

 

Fazit: Die geplante Absicherung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes ist überfällig und zu begrüßen. Vorzugswürdiger wäre es aber, die unselige Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG ganz zu streichen. Der Gesetzgeber sollte nachjustieren, um den gemeinnützigen Organisationen Rechtssicherheit zu geben, weitere, mitunter existenzgefährdende Steuerstreitverfahren zu vermeiden. 

Cristian Esteves Gomes
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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