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Erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verfassungs- und EU-konform

Der BFH hatte sich in seinem Urteil vom 12.10.2022, II R 5/20, veröffentlicht am 19.1.2023, mit der Frage zu beschäftigen, ob die erweitere unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht gegen den Gleichheitsgrundsatz im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG und/oder gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Der II. Senat des BFH sieht keine Verstöße.

1. Im konkreten Fall schenkte die Mutter ihrem Sohn ein in der Schweiz belegenes Grundstück. Sowohl Mutter als auch Sohn wohnten ausschließlich in der Schweiz, hatten jedoch innerhalb der letzten fünf Jahre ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben. Die deutsche Finanzverwaltung setzte für den Vorgang Schenkungsteuer fest. 

2. Zentrale Vorschrift des Deutschen Internationalen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts ist § 2 ErbStG. Er schränkt die Grundsatznormen des § 1 ErbStG ein, die ohne jeden räumlichen Bezug zunächst sämtliche auf der Welt vorkommende Erbschaft- und Schenkungsteuervorgänge erfasst. Die Erbschaftsteuerpflicht wird mit der Schenkungsteuerpflicht identisch behandelt, soweit das Gesetz keine Abweichungen trifft (vgl. § 1 Abs. 2 ErbStG). Die folgenden Ausführungen sind auf die Schenkungsteuerpflicht bezogen, gelten entsprechend für die Erbschaftsteuerpflicht. 

Vermögensvorgänge in Deutschland sind danach unter zwei Anknüpfungspunkten schenkungsteuerpflichtig. Entweder ist ein Inländer beteiligt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder die Übertragung bezieht sich auf Inlandsvermögen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Knüpft das Gesetz an die Qualifikation „Inländer“ an, wird der gesamte Vermögensanfall erfasst (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sogenannte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht). Ist (alleiniger) Anknüpfungspunkt das Inlandsvermögen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG), entsteht die Steuerpflicht nur für diesen speziellen Vorgang. Als Zwischenstufen gibt es von beiden Varianten Erweiterungen: Unter Anknüpfung an die Person, die sogenannte erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ErbStG), unter Bezug auf das Inlandsvermögen die sogenannte erweiterte beschränkte Schenkungsteuerpflicht (§ 4 AStG). 

Im vorliegenden Fall befasste sich der BFH mit der unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht bzw. der erweiterten unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht. 

3. Die unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht tritt ein, wenn der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Beschenkte im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Als Inländer gelten insbesondere natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. In der Praxis relevanter ist der Wohnsitz. Gemäß § 8 Abgabenordnung hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lässt, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der Wohnsitzbegriff des § 8 Abgabenordnung knüpft ausschließlich an tatsächliche, nicht an bestimmte rechtliche Gegebenheiten und insbesondere nicht an den Willen des Steuerpflichtigen. Die An- oder Abmeldung bei der Ordnungsbehörde kann lediglich ein Indiz für die Begründung bzw. die Aufgabe des Wohnsitzes sein, keinesfalls ist sie konstitutiv. 

Im Entscheidungsfall hatten weder die Mutter als Schenkerin noch der Sohn als Beschenkter ihren/seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Eine unbeschränkte Steuerpflicht lag also zum Zeitpunkt der Schenkung nicht vor. 

4. Wie oben erwähnt, kommt allerdings die Zwischenstufe bzw. Erweiterungsform der sogenannten erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht in Betracht. Selbst wenn ein deutscher Steuerinländer ins Ausland zieht und im Inland sowohl seinen Wohnsitz als auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt aufgibt, kann er in den Rechtsfolgen wie ein unbeschränkt Schenkungsteuerpflichtiger behandelt werden. Als Inländer gelten auch deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ErbStG). Maßgebend ist somit die deutsche Staatsangehörigkeit. 

Wer die Fünfjahresfrist nach der Auswanderung nicht abwarten und vorher schenken will, muss die deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben, um der erweiterten unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht zu entgehen. Diese Gestaltung hatten im Ausgangsfall Mutter und Sohn jedoch nicht gewählt. 

Durch die Aufgabe der deutschen Staatsangehörigkeit hätte Deutschland insgesamt das Besteuerungsrecht verloren. Die beschränkte Schenkungsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) greift nicht. Sie umfasst nur Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG und damit konkret nur solche Grundstücke, die in Deutschland belegen sind. Das von der Mutter an den Sohn geschenkte Grundstück befand sich in der Schweiz. 

5. Der BFH sieht die Differenzierung zwischen den ausgewanderten natürlichen Personen, die ihre Staatsangehörigkeit behalten oder aufgeben, unter anderem darin begründet, dass aus der Staatsangehörigkeit Rechte resultieren, die einen hinreichenden Inlandsbezug unabhängig vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt herstellen. Dies seien insbesondere das Wahlrecht und die sogenannten Deutschen-Grundrechte, auf die sich deutsche Staatsangehörige unabhängig von ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt berufen können. Ferner führt der BFH zur Rechtfertigung an, die Differenzierung sei auf lediglich fünf Jahre beschränkt. Zudem greife die Möglichkeit der Anrechnung der ausländischen Steuer auf die deutsche Steuer gemäß § 21 ErbStG. 

Letzterem Gesichtspunkt (Anrechnung gem. § 21 ErbStG) kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn in dem ausländischen Staat tatsächlich Schenkungsteuer gezahlt wurde. Dies ist - abhängig vom Kanton - in der Schweiz oftmals nicht der Fall. 

Einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Unionsrecht konnte der BFH mit Verweis auf ein bereits getroffenes Urteil des EuGH vom 23.2.2006 entkräften. Zudem seien nach der Rechtsprechung des EuGH die Mitgliedsstaaten grundsätzlich nicht verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedsstaaten anzupassen, um die sich aus der parallelen Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnisse ergebenden Doppelbesteuerung zu beseitigen oder die Anrechnung zu ermöglichen. 

6. Nicht eingegangen ist der BFH auf das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz abgeschlossene Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern. Hierbei handelt es sich um eines der wenigen (fünf) Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer. Dieses Doppelbesteuerungsabkommen erfasst nur die Erbschaftsteuer, nicht die Schenkungsteuer. 
 

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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