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Erleichterung bei Schenkungen von unverheirateten Eltern auf minderjährige Kinder?

1. Das OLG Köln (vom 16.9.2022 2 Wx 171/22, ZEV 2023, 242) hatte über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: V ist Vater der minderjährigen K 1 und K 2. Er ist mit der Mutter (M) von K 1 und 2 nicht verheiratet. Allerdings haben sie das gemeinsame Sorgerecht. Mit notariellem Vertrag überträgt V unentgeltlich seinen 1/2-Miteigentumsanteil an einem Grundstück zu jeweils 1/4-Anteil auf K 1 und K 2. Die Minderjährigen werden beide durch M vertreten. Konnte M die minderjährigen Kinder wirksam vertreten?

2. Die Eltern üben das Sorgerecht grundsätzlich gemeinsam aus (§ 1626 BGB). Ihnen obliegt die (gesetzliche) Vertretung des Minderjährigen (sog. Gesamtvertretung, § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Vertretung ist ausgeschlossen, wenn der gesetzliche Vertreter sowohl im eigenen Namen als auch im Namen des Minderjährigen handelt (sog. Insichgeschäft gem. § 181 Alt. 1 BGB). Ist ein Elternteil an der Vertretung gehindert (hier V als Schenker), kann er nach bisher herrschender Meinung nicht vom anderen Elternteil (hier M) vertreten werden, und zwar auch dann nicht, wenn die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern nicht (mehr) verheiratet sind (vgl. BGH vom 14.6.1972 IV ZR 53/71, NJW 1972, 1708; GÖTZ in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., 2023, § 1629 Rz. 10, 14 mwN). Sind die Eltern daran gehindert, das Kind wirksam zu vertreten, ist ein Ergänzungspfleger zu bestellen (§ 1809 BGB) (ausführlich STENERT/GRAVENHORST, GmbHR 2022, 1232 (1233 f.)).

3. Abweichend von der vorgenannten Auffassung hält das OLG Köln (vom 16.9.2022 2 Wx 171/22, ZEV 2023, 242) die Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht für notwendig, wenn die das gemeinsame Sorgerecht ausübenden Eltern nicht verheiratet sind. Es stützt sich auf eine Entscheidung des BGH (vom 24.3.2021 XII ZB 364/19, NJW 2021, 1875) zur Vaterschaftsanfechtung und überträgt die Maßstäbe. Allein das gemeinsame Sorgerecht rechtfertige – anders als bei der Ehe – keinen generellen Ausschluss der Mutter von der Vertretung. 

4. Die Entscheidung des OLG Köln (vom 16.9.2022 2 Wx 171/22, ZEV 2023, 242) ist zu begrüßen. Sie erleichtert das oftmals komplexe (und zeitaufwändige) Verfahren der Bestellung eines Ergänzungspflegers. Gleichwohl bleibt abzuwarten, ob der BGH seine Sichtweise zur Vaterschaftsanfechtung verallgemeinert, zB auch auf die Vertretungsmöglichkeit bei gesellschaftsrechtlichen Konstellationen (Anteilsübertragungen bei Familiengesellschaften) anwendet. 

Um Risiken zu vermeiden, raten wir in der derzeitigen Rechtslage, ein solches Rechtsgeschäft dem Familiengericht vorbeugend anzuzeigen und um Bestätigung zu bitten, dass es der Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht bedarf: Erlangen die gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen Kenntnis von einem Umstand, der sie an der Vertretung des Minderjährigen hindert, haben sie dies unverzüglich dem zuständigen Familiengericht anzuzeigen (§ 1809 Abs. 2 BGB). Das Gericht entscheidet daraufhin über die tatsächliche Notwendigkeit einer Ergänzungspflegschaft und ordnet diese von Amts wegen an (§§ 1813 Abs. 1, 1773 Abs. 1 BGB). Wird trotz der Erforderlichkeit einer Ergänzungspflegschaft kein Ergänzungspfleger bestellt, sind die entsprechenden Rechtsgeschäfte (schwebend) unwirksam (STENERT/GRAVENHORST, GmbHR 2022, 1232 (1235) mwN).

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Partner
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Dr. Torben Gravenhorst
Rechtsanwalt
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