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BFH: Earn-Out Zahlungen als nachträgliche Betriebseinnahmen

Halber Steuersatz für Earn-Out nicht mehr möglich?

Der Bundesfinanzhof hat in seiner jüngsten Entscheidung zur Besteuerung von Earn-Out Zahlungen bestätigt, dass diese erst im Zeitpunkt ihrer Realisation zu erfassen sind. Eine Rückwirkung auf den Veräußerungszeitpunkt scheidet aus, was zu einer Behandlung als nachträgliche Betriebseinnahmen führt. Dies kann ggf., ohne dass der BFH dies ausdrücklich klarstellt, zugleich dazu führen, dass ein halber Steuersatz gem. § 34 Abs. 3 EStG jedenfalls für einen in den Folgejahren zu erfassenden Earn-Out zu versagen ist.

 

I. Grundsätzliche Bestimmung des Veräußerungsgewinns

Der Veräußerungspreis nach § 16 Abs. 2 EStG bestimmt sich nach dem tatsächlich erzielten Erlös. Es sind alle Leistungen zu erfassen, die der Veräußerer im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung erlangt. Dabei entsteht der Veräußerungsgewinn mit der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den wesentlichen Betriebsgrundlagen bzw. in Fällen von Kapitalgesellschaften mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den übertragenen Anteilen (Realisationsprinzip). Dies unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt. Davon werden im Grundsatz auch erst später eintretende Veränderungen des ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreises erfasst, sofern ihr Rechtsgrund bereits in der ursprünglichen Anteilsveräußerung angelegt ist.

Der ermittelte Veräußerungsgewinn kann auf Antrag des Verkäufers und unter den weiteren Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 EStG der Tarifbegünstigung des sog. halben Steuersatzes unterworfen werden. Nach der Rechtsprechung soll dazu eine Zusammenballung der Einkünfte dergestalt erforderlich sein, dass diese in nur einem Veranlagungszeitraum erfasst werden.

 

II. Durchbrechung des Grundsatzes für gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisforderungen

Für Fälle von rein gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen ist hingegen nach ständiger Rechtsprechung auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer die Gewinne erst im Zuflusszeitpunkt erzielt (BFH vom 27.10. 2015 VIII R 47/12, BStBl. II 2016, 600). Da diese aufschiebend bedingt im Sinne von § 158 Abs. 1 BGB sind, ist ihre Realisation bis zum tatsächlichen Eintritt der Bedingung rechtlich unsicher.

Dies gilt nicht nur für Veräußerungsgewinne nach §§ 16, 17 EStG, sondern auch für solche nach § 8b Abs. 2 KStG (BFH vom 19.12.2018 I R 71/16, BStBl. II 2019, 493).

Ob und in wie weit dies Auswirkungen auf die Möglichkeit der Anwendung des halben Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 EStG für das erst in einem späteren Veranlagungszeitraum realisierte Veräußerungsentgelt hat, ist noch ungeklärt.

Siehe hierzu bereits Haftungsfalle Earn-Out-Klauseln und halber Steuersatz?

 

III. Erneute Bestätigung der späteren zeitlichen Erfassung

Das FG Rheinland-Pfalz hatte wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieses Themas die Revision zugelassen. Es sei noch nicht abschließend geklärt, ob die konkrete umsatzbezogene Earn-Out-Klausel als gewinn- bzw. umsatzabhängige Kaufpreisabrede im Sinne der Rechtsprechung einzustufen sei.

Der Bundesfinanzhof hat dies nun bestätigt (BFH vom 9.11.2023 IV R 9/21). Bei Earn-Out-Zahlungen handle es sich um – aufschiebend bedingte – Kaufpreisbestandteile, deren Entstehen im Veräußerungszeitpunkt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss sei. Eine Schätzung ihres Kapitalwerts sei im Veräußerungszeitpunkt nicht möglich.

Die Earn-Out-Zahlungen sollen – so der BFH – im Zeitpunkt des Zuflusses nachträgliche gewerbliche Betriebseinnahmen (§ 24 Nr. 2 iVm. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) sein. Ob damit der halbe Steuersatz gem. § 34 Abs. 3 EstG in Ermangelung der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Zusammenballung von vorneherein für den gesamten Kaufpreis ausscheidet, ist vom BFH nicht festgestellt worden. Jedenfalls für den dem Veräußerungsjahr zuzuordnenden Kaufpreisteil (in der Regel die erste fixe Kaufpreisrate) ist uE die Gewährung des halben Steuersatzes auch für den Fall einer späteren Earn-Out-Besteuerung anzunehmen (vgl. dazu auch WOLLWEBER, GmbH-StB 2021, 353-356).

 

Beraterhinweis

Ob gleiche Grundsätze auch für betragsmäßig bereits festgelegte Zahlungen greifen, die erfolgen, alsbald eine Umsatz- oder Gewinngrenze erreicht wird, hat der Bundesfinanzhof bewusst offengelassen (BFH aaO Rz. 24). Unseres Erachtens sprechen hier gute Gründe für eine Rückwirkung (vgl. BFH vom 31.8.2006 IV R 53/04, BStBl. II 2006, 906). Soweit eine entsprechende Kaufpreiskomponente gewählt werden soll, verbleibt damit eine Gestaltungsvariante, die möglicherweise die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG erhalten kann.

Soll im Rahmen von Verhandlungen über einen Unternehmensverkauf für den Verkäufer einerseits der halbe Steuersatz gesichert, andererseits eine variable Kaufpreiskomponente aufgenommen werden, müssen entsprechende Klauseln daher zukünftig grundlegend neu konzipiert werden. Möglich erscheint etwa auch, dass der volle Kaufpreisanspruch unter Einschluss des maximal erreichbaren Earn-Outs bereits im Jahr des Übergangs des Unternehmens auf den Käufer entsteht und damit steuerlich zugesammengeballt zu erfassen ist. Werden später die wirtschaftlichen Ziele, auf deren Verwirklichung der Earn-Out eigentlich beruhen sollte, nicht erreicht, können vertraglich Rückforderungsansprüche des Käufers aus Garantieverletzung vorgesehen werden. Zur Absicherung dieses etwaigen zukünftigen Garantieanspruchs kann es aus Sicht des Käufers erforderlich sein, zu vereinbaren, dass er einen Teil des Kaufpreises, der ggf. wirtschaftlich der Höhe des erreichbaren Earn-Outs entspricht, zunächst als Sicherheit zurückbehalten darf, bis in späteren Jahren geklärt ist, ob und in welcher Höhe die mit dem Earn-Out gesetzten Ziele erreicht worden sind. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Gefahren des § 42 AO zu legen. Ggf. sind solche Gestaltungen vorab mit der Einholung einer verbindlichen Auskunft abzusichern. 

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Dr. Markus Wollweber
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