Der Zehnt Aktuell

Mit unserem wöchentlichen Newsletter informieren wir Sie im Bereich Steuerrecht über aktuelle Themen, Entscheidungen und Kanzlei-News.

Newsletter abonnieren >

 

Beitragspflicht in Rechtsanwaltskammer für Steuerberater:innen verfassungsgemäß

Gem. § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO sind nichtanwaltliche Mitglieder von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von durch die Rechtsanwaltskammer zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften Mitglied der Rechtsanwaltskammer. Der AGH Bayern hat jüngst eine Entscheidung zur Frage der Verfassungsgemäßheit der Beitragspflicht in der Rechtsanwaltskammer für Steuerberater:innen veröffentlicht und festgestellt, dass die Beitragspflicht verfassungsgemäß sei (AGH Bayern vom 25.7.2023, BayAGH III-4-5/23). 

I. Sachverhalt

Der Kläger ist Steuerberater und vertretungsberechtigter Partner einer interprofessionellen Partnerschaftsgesellschaft mbB aus Steuerberatern und Rechtsanwälten, nicht aber Rechtsanwalt. Die Partnerschaftsgesellschaft mbB ist als Berufsausübungsgesellschaft sowohl bei der Rechtsanwaltskammer als auch bei der Steuerberaterkammer eingetragen. Sie hat bundesweit Niederlassungen. 

Die Rechtsanwaltskammer nahm den Kläger für eine Mitgliedschaft als natürliche Person auf Zahlung eines Kammerbeitrags in Anspruch. Gegen den entsprechenden Beitragsbescheid ging der Kläger gerichtlich vor. Neben der Aufhebung des gegen ihn ergangenen Beitragsbescheids verlangte der Kläger die gerichtliche Feststellung, dass die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer nichtig sei. Die gem. § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO vorgesehene Mitgliedschaft verstoße gegen die Verfassung und verletze ihn insbesondere in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit. 

II. Entscheidung des AGH 

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts ist der Beitragsbescheid rechtmäßig. Dieser beruhe auf § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO. Der Kläger sei Steuerberater und vertretungsberechtigter Partner der interprofessionellen Partnerschaftsgesellschaft, nicht aber Rechtsanwalt. Damit sei er persönliches Mitglied der Rechtsanwaltskammer, der die Berufsausübungsgesellschaft angehört, deren Partner er ist. Die Mitgliedschaft gem. § 60 Abs. 2 Nr. 3 BRAO trete kraft Gesetzes ein.

Diese Norm sei verfassungsgemäß. Das Recht auf freie Berufsausübung ist – so das Gericht – nicht verletzt. Die Pflichtmitgliedschaft betreffe nicht die Berufsausübung als solche. Sie sei eine einfache Folge der Berufsausübung, die weder die Art und Weise der Ausübung des Berufs regele noch eine berufspolitische Tendenz verfolge. 

Der Kläger sei auch nicht in seinem durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Recht auf freie Vereinsbildung verletzt. Die gesetzliche Mitgliedschaft des Klägers in der Rechtsanwaltskammer berühre den Schutzbereich von Art. 9 Abs. 1 GG nicht. Zwar sei für den in Art. 9 Abs. 1 GG verwendeten Vereinsbegriff das Element der Freiwilligkeit konstituierend, jedoch erstrecke sich der Vereinsbegriff des Grundgesetzes nicht auf öffentlich-rechtliche Körperschaften

Die Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer verletze ferner nicht das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum des Klägers. Die Auferlegung von Beiträgen hierfür stelle keine Verletzung des Eigentums dar.

In seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sei der Kläger durch die Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer auch nicht verletzt. Insbesondere sei es für nichtanwaltliche Gesellschafterinnen und Gesellschafter, die geschäftsführend für die zugelassene Berufsausübungsgesellschaft tätig sind, erforderlich, dass diese aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung den anwaltlichen Pflichten unterliegen, um eine effektive Aufsicht über die Berufsausübungsgesellschaft sicherzustellen.

III. Beraterhinweis 

Die Entscheidung hätte mit guten Gründen auch anders getroffen werden können. Eine effektive Aufsicht über die Berufsausübungsgesellschaft dürfte bereits deshalb sichergestellt sein, als die Berufspflichtbindung der Gesellschaft selbst und das in § 59d Abs. 5 BRAO geregelte Verbot, mit Personen in einer Gesellschaft verbunden zu bleiben, die schwerwiegend oder wiederholt gegen Berufspflichten verstoßen haben, bestehen. Immerhin wurde die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Ob ein nichtanwaltlicher Partner einer Berufsausübungsgesellschaft mit Geschäftsführungsbefugnis für diese kraft Gesetzes persönlich Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist, stellt nach Meinung des Gerichts eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage dar. Es bleibt die weitere Rechtsentwicklung abzuwarten.
 

Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Partner
LinkedIn
Dr. Carina Freitag
Rechtsanwältin, Steuerberaterin
Senior Associate
LinkedIn