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Aktuelles BFH-Urteil zur (vermeintlichen) Umsatzsteuer in Sportvereinen: Missverständnisse und Klarstellungen

Der BFH hat ein bereits seit längerem erwartetes Urteil zur Umsatzsteuerbefreiung von Sportvereinen veröffentlicht (BFH vom 21.4.2022 – V R 48/20 (V R 20/17)). Es enthält im Leitsatz ein allgemein erwartetes Ergebnis. In der Tagespresse ist dennoch heute zu lesen: „Sportvereinen droht Steuervorteil-Aus“. Dies ist – jedenfalls im absoluten Regelfall – unzutreffend. Die Entscheidung ist in ganz anderer Hinsicht bedeutsam:

1. Das BFH-Urteil erging zur Umsatzbesteuerung von Entgelten, die ein (nicht gemeinnütziger) Golfclub für die Teilnahme an Golfturnieren, die Nutzung des Golfplatzes („Greenfee“) und die Vermietung von Golfbällen und Caddies erzielte.

2. Der BFH hat für diese Einnahmen die Umsatzsteuerbefreiung sowohl nach § 4 Nr. 22 lit.b) UStG als auch nach EU-Recht versagt. Dies war nach dem vorangehenden EuGH-Urteil vom 10.12.2020 (C-488/18 „Golfclub Schloss Igling e.V.“) keine Überraschung mehr: Denn das nationale Recht knüpft die Umsatzsteuerbefreiung zumindest nach dem Gesetzeswortlaut an die (im Urteilsfall nicht vorhandene) Gemeinnützigkeit und eine Berufungsmöglichkeit auf die deutlich weitergehende Befreiung nach EU-Recht hatte der EuGH zuvor versagt. Der BFH war insoweit an die Vorgaben des EuGH gebunden (s. unseren Newsletter vom 11.12.2020).

3. Die mediale Aufregung entsteht nun aus einem anderen Grund: Sowohl im Urteil als auch in einer flankierenden Pressemitteilung hat der BFH zusätzlich noch einmal darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung Mitgliedsbeiträge zu Sportvereinen im Regelfall umsatzsteuerbar sind. Mangels einschlägiger Befreiung komme es – so der BFH – bei Anwendung der Rechtsprechung oft zu einer Umsatzsteuerpflicht der Beiträge. Auch dies ist wahrlich nichts Neues: Die Rechtsprechung zur Umsatzsteuerbarkeit von Mitgliedsbeiträgen ist bereits über 20 Jahre alt. Seit ebenso langer Zeit wird diese Rechtsprechung aber von der Finanzverwaltung nicht angewendet (vgl. Abschn. 1.4 UStAE), was der BFH zwar zutreffend (kurz) angemerkt hat, in der Presse nun jedoch untergeht. Die Finanzverwaltung hat ihre vereinsfreundliche Haltung stets beibehalten (s. zuletzt BMF-Schreiben vom 4.2.2019, BStBl. I 2019, 115) und es ist nicht zu erwarten, dass sich hieran in absehbarer Zeit zulasten der Vereine etwas ändert. 

4. Schade ist, dass die einzig wirklich neue Aussage des BFH im Pressewirbel vollkommen untergeht: In den Urteilsgründen wird die Möglichkeit eröffnet, dass sich – entgegen der bisherigen Praxis – auch nicht gemeinnützige Organisationen auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 lit. b) UStG berufen können, sofern sie zumindest als „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ iSd. EU-Rechts angelegt sind. Hieraus ergeben sich für nicht gemeinnützige Sportorganisationen neue Gestaltungsmöglichkeiten, bei Bedarf durch Satzungsanpassungen (ua. Regelungen zur fehlenden Gewinnerzielungsabsicht, Gewinnausschüttungsverbot, Vermögensbindung im Falle der Auflösung) zumindest für einzelne Leistungen in die Umsatzsteuerbefreiung zu gelangen.

5. Fazit: Sportvereine brauchen – entgegen einiger Presseberichte – auch weiterhin nicht die Umsatzsteuerpflicht ihrer allgemeinen, klassischen Mitgliedsbeiträge zu fürchten. Die unveränderten Verwaltungsrichtlinien bieten noch immer Vertrauensschutz. Wer umgekehrt einen erweiterten Vorsteuerabzug nutzen möchte, hat in vielen Fällen aber weiterhin ein faktisches Wahlrecht, die Beiträge unter Berufung auf die Rechtsprechung der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Auch das akzeptiert die Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 4.2.2019, BStBl. I 2019, 115).

Der mediale Sturm im Wasserglas hat aber dennoch einen nicht zu unterschätzenden Effekt: Er erhöht den Druck auf den Gesetzgeber, die im EU-Recht vorgesehene, deutlich weitergehende Befreiung für Sportleistungen in das nationale Recht zu überführen. Wir wagen die Behauptung, dass die BFH-Richter mit ihren medienwirksamen Anmerkungen genau dies erreichen wollten.

Dr. Jörg Alvermann
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Sportrecht
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Cristian Esteves Gomes
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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