Zehnt – der Steuerblog

Bleiben Sie informiert über aktuelle Entwicklungen in steuer- und steuerstrafrechtlicher Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur.

 

Umsatzsteuerliche Organschaft und EU-Recht: Neue Gewissheiten/neue Unsicherheiten

Die umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist bereits unter Anwendung der nationalen Regelungen mit den drei Eingliederungsvoraussetzungen (finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich) schwer zu handhaben, streitanfällig und mit einem hohen Haftungsrisiko verbunden. Seit mehreren Jahren wird zudem darüber hinaus diskutiert, inwieweit diese nationale Regelung mit EU-Recht vereinbar ist. Vor diesem Hintergrund hat der 5. Senat des BFH mehrere Fragen dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Mit Urteil vom 1.12.2022 hat der EuGH die Steuerschuldnerschaft des Organträgers für die Umsetzung der Organschaft für unionsrechtskonform erklärt (C-141/20, EU:C2022:942 Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie). 

Im Anschluss daran hat der BFH nunmehr in seiner am 23.3.2023 veröffentlichen Entscheidung vom 18.1.2023 (XI R 29/22 vormals XI R 16/18) diese Rechtsprechung übernommen und das zum Anlass genommen, seine Grundsätze zur finanziellen Eingliederung zu ändern. Demnach soll nunmehr auch dann eine finanzielle Eingliederung vorliegen, wenn die erforderliche Willensdurchsetzung dadurch gesichert ist, dass der Gesellschafter unmittelbar zwar nur über 50 % der Stimmrechte verfügt, er aber eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt. 

Die dadurch gewonnene Rechtssicherheit ist jedoch nur relativ. Mit einer Entscheidung vom 26.1.2023 (V R 20/20 vormals V R 40/19) hat der BFH erneut den EuGH angerufen, diesmal zu der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage: 

  • Führt die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Steuerpflichtigen dazu, dass eine geldliche Leistung zwischen diesen Personen (sog. Innenumsätze) nicht dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer nach Artikel 2 Nr. 1 der EU-Richtlinie 7/388/EwG unterliegt? 
  • Unterliegen entgeltliche Leistungen zwischen diesen Personen jedenfalls dann dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer, wenn der Leistungsempfänger nicht (oder nur teilweise) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da ansonsten die Gefahr von Steuerverlusten besteht? 

Diese äußerst dynamische Entwicklung (nicht durch den Gesetzgeber, sondern) durch den BFH/EuGH führt dazu, dass die Planungssicherheit der umsatzsteuerlichen Organschaften extrem zurückgeht. Der Beratungsbedarf steigt entsprechend. Bei der Lösung dieser Probleme sind wir behilflich. 
 

Dr. Klaus Olbing
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Partner
LinkedIn