Zehnt – der Steuerblog

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Steuerneutrale Rückabwicklung grunderwerbsteuerpflichtiger Geschäfte - Stärkung der Rechtsstellung des Steuerpflichtigen

Grunderwerbsteuerpflichtige Erwerbsvorgänge können steuerneutral gemäß § 16 GrEStG rückgängig gemacht werden. Voraussetzung hierfür ist ua. eine fristgerechte Anzeige des ursprünglichen Erwerbsvorgangs. Anzeigepflichtig sind ua. die Steuerschuldner und der beurkundende Notar. Die Anzeigefristen können divergieren. Der BFH bestätigt in seinem Urteil vom 21.6.2023 II R 2/21, dass die Anzeige des Notars, die zwar nicht innerhalb der für den Notar geltenden Frist, jedoch innerhalb der für den Steuerschuldner länger laufenden Frist dem Finanzamt zugeht, dem Steuerschuldner zuzurechnen ist. 

1. § 16 GrEStG sieht die Nichtfestsetzung sowie die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung der Grunderwerbsteuer vor, wenn ein Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird. Die Vorschrift bildet damit eine Parallele zu § 29 ErbStG für die Rückgängigmachung der Schenkungsteuer. Die steuerneutrale Rückabwicklung der Grunderwerbsteuer setzt jedoch voraus, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang fristgerecht in allen Teilen vollständig angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrEStG). Die Vorschrift dient einerseits der Sicherung der Anzeigepflichten. Sie soll andererseits den Beteiligten die Möglichkeit nehmen, die Erwerbsvorgänge nicht anzuzeigen, jedoch ohne weitere steuerliche Folgen wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein solches Geschäft bekannt wird. 

2. § 18 GrEStG sieht Anzeigepflichten für Gerichte, Behörden und Notare vor, § 19 GrEStG die Anzeigepflicht der Beteiligten, also der Steuerschuldner. Steuerschuldner sind insofern sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber des Grundbesitzes. Beide Vorschriften stehen grundsätzlich selbstständig nebeneinander. In beiden Fällen beträgt die Anzeigefrist zwei Wochen. Der jeweilige Beginn kann jedoch differieren. Dies ist insbesondere bei einer genehmigungspflichtigen notariellen Urkunde der Fall. Für den Notar beginnt die Frist bereits mit der Beurkundung, für den Steuerschuldner erst mit der Genehmigung. 

3. Im Urteilsfall gab der Notar die Anzeige nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist nach der Beurkundung, jedoch innerhalb der zweiwöchigen Frist nach der Genehmigung des Rechtsgeschäfts dem Finanzamt bekannt. Der Erwerber selbst unterließ die Anzeige gegenüber dem Finanzamt. Es stellt sich die Frage, ob die Anzeige des Notars, die innerhalb der Anzeigefrist des Steuerschuldners beim Finanzamt einging, genügt, um die grunderwerbsteuerneutrale Rückabwicklung zu ermöglichen. 

4. Der II. Senat des BFH bejahte dies. Zum einen stellte er klar, dass es nach dem Wortlaut und dem Zwecks des § 16 Abs. 5 GrEStG ausreicht, dass der Erwerbsvorgang innerhalb der für den Notar oder der für den Steuerschuldner geltenden Anzeigefrist in allen Teilen vollständig angezeigt war, und zwar unabhängig davon, ob die Anzeige durch den Notar oder den Steuerschuldner erfolgt. Zum anderen lässt er genügen, dass die Anzeige, die zwar vom Notar für ihn abgegeben wurde, innerhalb der für den Steuerschuldner geltenden Frist dem zuständigen Finanzamt zugeht, auch wenn dieser eine eigene Anzeige unterlässt. In einem solchen Fall werde der Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG gewahrt, nämlich aufgrund einer entsprechenden Anzeige dem Finanzamt die ordnungsgemäße Prüfung des Steuerfalls zu ermöglichen. 

5. Das Urteil ist zu begrüßen. Eine andere Entscheidung wäre reine Förmelei. Die Entscheidung ruft nochmals in Erinnerung, dass die Ausnahmevorschrift der grunderwerbsteuerneutralen Rückabwicklung eines Erwerbsvorgangs nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die Beteiligten die Anzeigepflichten wahren. Es besteht die Gefahr, dass diese Beschränkungen mit Blick auf Rückübertragungsvorschriften aus anderen Steuerarten aus dem Fokus gelangen. So ist eine steuerneutrale Rückabwicklung einer Schenkung gemäß § 29 Abs. 1 ErbStG weder daran gebunden, dass diese innerhalb von zwei Jahren erfolgt, noch setzt sie eine fristgemäße Anzeige (§ 30 ErbStG) voraus (vgl. dazu KAMPS/GRAVENHORST, ErbR 2022, 300 ff., 462 ff.).
 

Dr. Heinz-Willi Kamps
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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