Zehnt – der Steuerblog

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Steuererklärung auf den letzten Drücker: Abgabe der Erklärung hemmt Verjährung nicht!

Bei Mandanten ist häufig die Ansicht anzutreffen, man könne den Ablauf der steuerlichen Verjährungsfrist durch Abgabe der Steuererklärung kurz vor Verjährungsablauf noch hemmen. 

Wie der BFH nunmehr nochmals klargestellt hat, handelt es sich hierbei um ein gefährliches, ggf. haftungsträchtiges Missverständnis: 

Im Streitfall hatte der Kläger für sich und seine verstorbene Frau Ende 2019 (30.12.2019) die Einkommensteuererklärung 2012 eingereicht. 

Das Finanzamt hatte zunächst eine freiwillige Veranlagung unterstellt und diese wegen Fristablaufs abgelehnt; nachdem das Finanzgericht von einer Pflichtveranlagung ausgegangen war, hat das Finanzgericht der Klage stattgegeben. Auf die Revision des Finanzamts ist das Urteil aufgehoben worden und die Klage abgewiesen. 

Mit Urteil vom 28. 07.2021, X R 35/20, BStBl. II Jahr, Seite. hat der BFH hierzu nunmehr entschieden: 

  1. Für die Wahrung der Festsetzungsfrist ist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO derjenige Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Steuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat. Auf den Zeitpunkt, in dem eine Steuererklärung bei der Finanzbehörde eingereicht wurde, kommt es nicht an.
  2. Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuer- oder Feststellungserklärung ist nicht als Antrag iS des § 171 Abs. 3 AO anzusehen (Bestätigung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung). Dies gilt auch dann, wenn in einem Begleitschreiben zu der gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung von einem "Antrag auf Veranlagung" die Rede ist.
  3. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO tritt nicht ein, wenn der Erlass eines (begünstigenden) Steuerbescheids erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist abgelehnt und dieser Ablehnungsbescheid angefochten wird (Bestätigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
  4. Bei einer Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist die Ablaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht anwendbar, sodass die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, beginnt.
  5. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann nicht erwartet werden, dass der Steuerbescheid noch innerhalb der Festsetzungsfrist den Bereich der Finanzbehörde verlässt, wenn die Steuererklärung erst einen Tag vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim FA eingereicht wird.
  6. Bei einem unteilbaren Streitgegenstand (zB dem Einkommensteuerbescheid für einen bestimmten Veranlagungszeitraum) kann die Revisionszulassung nicht auf eine einzelne Rechtsfrage beschränkt werden. In einem solchen Fall kann ein Revisionskläger im Rahmen des von ihm bereits beim FG gestellten Antrags auch solche Rechtsfragen streitig stellen, in denen der die Revision zulassende Spruchkörper keinen Zulassungsgrund gesehen hat.
     
Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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