Zehnt – der Steuerblog "Unternehmens­kauf"

In unserer neuen Blog-Beitragsserie werden wir uns in mehreren Teilen mit wichtigen zivil-, gesellschaftsrechtlichen, aber auch steuerlichen Fragen im Zusammenhang mit dem mittelständigen Unternehmensan- und -verkauf im gewerblichen und freiberuflichen Bereich auseinandersetzen.

 

Unternehmensverkauf für den Mittelstand und Freiberufler - Teil 7: Baustelle Grunderwerbsteuer

In unserer Blog-Beitragsserie setzen wir uns mit wichtigen zivil-, gesellschaftsrechtlichen, aber auch steuerlichen Fragen im Zusammenhang mit dem mittelständigen Unternehmensan- und -verkauf im gewerblichen und freiberuflichen Bereich auseinander.

Die beleuchteten Fragen nehmen wir direkt von unserem Schreibtisch. Das Team M&A von Streck Mack Schwedhelm beschäftigt sich seit vielen Jahren ganzheitlich, das heißt sowohl steuerrechtlich, aber insbesondere auch zivil-, gesellschafts-, miet-, arbeits- und kartellrechtlich mit Transaktionen und begleitet die Mandanten und Unternehmen als anwaltliche Vertretung in der Anbahnung, Verhandlung und Umsetzung von Transaktionen.

Nachstehender Blogbeitrag befasst sich mit den grunderwerbsteuerrechtlichen Dos and Don‘ts im Zusammenhang mit inländischem Grundbesitz.

Halten Kapitalgesellschaften im Inland Grundbesitz, kann insbesondere auch durch die Übertragung von Anteilen oder einen Gesellschafterwechsel nach den Ergänzungstatbeständen des Grunderwerbsteuerrechts Grunderwerbsteuer ausgelöst werden. Die Voraussetzungen sind durch die Grunderwerbsteuerreform mit Wirkung zum 1.7.2021 verschärft worden. Mit Bezug auf Kapitalgesellschaften wurde der neue Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG eingefügt.

In der Literatur wird diskutiert, ob bereits bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts (Signing) der § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG erfüllt wird, wenn Gegenstand der Übertragung 90 % oder mehr der Anteile an einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz sind. Kommt es in diesen Fällen zur Abtretung (Closing), soll gegebenenfalls doppelt der Steuertatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllt sein.

Beispiel: A ist Alleingesellschafter der X-GmbH, die im Inland Eigentümerin mehrerer Grundstücke ist. A verkauft an B aufgrund notariellen Vertrags vom 7.12.2022 100 % der Anteile an der X-GmbH. Der Verkauf ist aufschiebend bedingt durch die Kaufpreiszahlung. Die Kaufpreiszahlung erfolgt zum 30.1.2023. Demgemäß wird die Abtretung zum 30.1.2023 wirksam vollzogen.

Problem: Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts im Beispielsfall den Grunderwerbsteuertatbestand nach § 1 Abs. 3 GrEStG und die Abtretung der Anteile ein zweites Mal den Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG erfüllen.

Zwar enthalten die Vorschriften des § 1 Abs. 3 GrEStG und des § 1 Abs. 3a GrEStG eine Subsidiaritätsklausel („soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt“). Nach Ansicht in der Literatur soll es aber von dieser Subsidiarität nicht erfasst sein, wenn zwei zeitlich auseinanderfallende Anknüpfungspunkte für die Entstehung der GrESt - wie vorliegend mit Signing und nachgelagertem Closing - gegeben sind.

Die Finanzverwaltung hatte sich zunächst durch gleichlautenden Ländererlass vom 10.5.2022 (dort Tz. 8.1 bis Tz. 8.2) geäußert und angeordnet, dass in diesen Fällen im Zeitpunkt des Signings eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG erfolge, im Zeitpunkt des Closings jedoch eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG erfolge und die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 GrEStG (im Zeitpunkt des Signings) bei Grundstücksidentität aufzuheben oder zu ändern sei.

Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber reagiert und durch das Jahressteuergesetz 2022 mit Wirkung zum 21.12.2022 mit Blick auf das geschilderte Problem einen neuer Abs. 4a in § 16 GrEStG eingeführt. In Fällen wie dem Beispielsfall wird nach dieser Vorschrift auf Antrag die (vorangegangene) Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG oder § 1 Abs. 3a GrEStG aufgehoben oder geändert.

 

Beraterhinweis Da eine Korrektur nach § 16 Abs. 4a GrEStG nur erfolgen kann, wenn sowohl bei Signing als auch bei Closing eine fristgerechte und vollständige Anzeige (§§ 18, 19 GrEStG) erfolgt, droht nun von Gesetzes wegen eine Doppelbesteuerung mit Grunderwerbsteuer. Denn für beide Akte, Signing wie Closing, müssen binnen der laufenden zwei Wochenfristen den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Anzeigen gegenüber dem zuständigen Finanzamt erfolgen. Unterbleibt dies oder sind die Anzeigen unvollständig, verbleibt es gegebenenfalls bei der Doppelfestsetzung.
 

Dr. Markus Wollweber
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Partner
LinkedIn