Zehnt – der Steuerblog

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Nichts ist unmöglich, insbesondere nicht die Besteuerung des Nichts

Wer kennt es nicht, das Schneeballsystem? Gib mir 5 € und such dir zwei, die dir 5 € geben. Schon immer werden Kapitalanleger mit Schneeballsystemen betrogen. Die Gier treibt den Anleger in die Arme des Betrügers. Das System beruht darauf, dass Renditen versprochen werden, die gar nicht erwirtschaftet werden können.

Es bedingt das unerlässliche Anwerben von Neu-Anlegern. Deren eingezahlte Gelder werden verwandt um Anleger, die ihre Rendite oder ihr Kapital einfordern auszuzahlen. Es wird der Anreiz gesetzt, die Renditen „stehen zu lassen“. Im ersten Jahr gibt es 3 %, für stehengelassene Renditen 5 %. Werden nicht mehr ausreichend Neu-Anleger geworben um die Auszahlungen zu finanzieren, bricht das System zusammen.

Das Kapital verloren zu haben ist Strafe genug, könnte man denken. Dem ist nicht so. Kann der Anleger nicht nachweisen, dass er im Zeitpunkt der jeweiligen Gutschrift seiner Rendite, diese nicht hätte einfordern können, gehen Finanzverwaltung und Finanzrechtsprechung vom steuerpflichtigen Zufluss aus. Dies führt dazu, dass Anleger, die ihre Renditen haben stehen lassen, diese versteuern müssen, obgleich sie im Ergebnis weder ihre Rendite ausgezahlt noch ihr Kapital zurückgezahlt bekommen, wenn das System zusammengebrochen ist.

Nicht selten leitet die Finanzverwaltung gar Steuerstrafverfahren ein. Entlastung kommt durch ein nunmehr veröffentlichtes Urteil des BFH (vom 29.9.2020 VIII R 17/17) für die Anleger, die in einem solchen System ihre Rendite tatsächlich eingefordert haben und davon ausgehen durften, dass der betrügerische Vermögensverwalter die Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt hat.

Selbst wenn die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt wurde, können die Kapitalerträge beim Anleger nicht in die Besteuerung einbezogen werden, wenn er davon ausgehen durfte, dass die Kapitalertragsteuer nicht nur einbehalten, sondern auch ordnungsgemäß an das Finanzamt abgeführt wurde. 

Prof. Dr. Burkhard Binnewies
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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