Zehnt – der Steuerblog

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Akteneinsicht beim Finanzgericht in Zeiten der Corona-Pandemie

Der BFH hat in der letzten Zeit seine bekannte, sehr zurückhaltende Rechtsprechung zur Akteneinsicht fortgesetzt. Seiner Ansicht nach gewährt uns § 78 Abs. 3 Satz 1 FGO grundsätzlich nur ein Einsichtsrecht beim Finanzgericht oder in anderen Diensträumen . Zudem soll keine Verpflichtung des Finanzgerichts bestehen, eine in Papierform vorliegende Behördenakte zu digitalisieren. Eine über den Wortlaut des § 78 Abs. 3 Satz 1 FGO hinausgehende, auf Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG fußende Versendung der Akten in die Kanzleiräume des Steuerberaters/Rechtsanwalts schließt er zwar grundsätzlich nicht aus, hat sie jedoch bisher in den ihm vorliegenden Fällen immer wieder abgelehnt .

In Zeiten der Corona-Pandemie ist unserer Ansicht nach ein solcher Sonderfall gegeben. Soweit finanzgerichtliche Verfahren überhaupt noch ihren Fortgang finden, ist eine Akteneinsicht bei der Finanzbehörde oder dem Finanzgericht weder dem Steuerpflichtigen bzw. seinem Prozessbevollmächtigten, noch dem Finanzbeamten/Finanzrichtern zuzumuten.

Andererseits besteht weiterhin das Bedürfnis, in die Akten einzusehen. Nicht in allen Fällen besteht die Möglichkeit, durch großzügige Fristverlängerungen die Akteneinsicht nach hinten zu verschieben, um nach der Krise wieder in Ruhe in bisheriger Weise Akteneinsicht zu nehmen. Insbesondere bei Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist die Möglichkeit, die Begründungsfrist nach § 116 Abs. 3 FGO zu verlängern, beschränkt. Die Prüfung, ob Verfahrensfehler vorliegen, kann jedoch in der Regel nur anhand der Verfahrensakte geprüft werden.

Vor diesem Hintergrund wundert es uns, dass noch in der jüngsten Zeit von Finanzgerichten Ausschlussfristen gesetzt werden, ohne vorher die Möglichkeit der Akteneinsichtnahme zu geben. Sollten die Finanzgerichte die Klagen als unbegründet oder unzulässig mit dem Hinweis auf die Ausschlussfrist ablehnen, sind die Erfolgsaussichten für das NZB-Verfahren ohne eine anschließende Revision aus unserer Sicht sehr hoch.

Die aktuelle Krise sollte vielmehr zum Anlass genommen werden, grundsätzlich über die restriktive Haltung der Finanzgerichte zum Akteneinsichtsrecht nachzudenken. Es ist schwer nachvollziehbar, warum gerade in Steuerverfahren strengere Grundsätze gelten sollen, als in anderen Gerichtsbarkeiten.

Bis dahin gelten die klassischen Rechtsbehelfsempfehlungen zur Akteneinsichten:

  • Antrag auf Akteneinsicht auch beim Finanzamt (aufgrund AO, Landesinformationsgesetz und DSGVO)
  • Antrag auf Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen nach § 364 a AO,
  • Antrag auf Digitalisierung der Akte und Zusendung in digitaler Form,
  • Antrag auf digitale Zusendung des Teils der Akte, der bereits elektrotonisch geführt ist (dazu läuft ein Revisionsverfahren beim BFH unter dem Aktenzeichen III R 50/19),
  • Antrag auf Fristverlängerung,
  • Antrag auf Aufhebung der vom Gericht festgesetzten Fristen,
  • Einspruch (beim FA)/Beschwerde (beim FG) bei Ablehnung,
  • erste vorläufige Begründung mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass aufgrund der verweigerten Akteneinsicht eine umfassende Begründung nicht möglich ist.
Dr. Klaus Olbing
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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