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Zum Verhältnis von Einspruchsentscheidung und Vorbehalt der Nachprüfung

1. Einspruchsentscheidung ohne Aufhebung des VdN

Auch nach Durchführung des Einspruchsverfahrens gegen einen Vorbehaltsbescheid darf das FA den Vorbehalt in der EE aufrechterhalten (BFH vom 12.6.1980 IV R 23/79, BStBl. II 1980, 527). Im Einspruchsverfahren ist nur die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt (auf Basis des Ausgangsbescheids) zu prüfen. Die Prüfung im Einspruchsverfahren kann und soll grds. die abschließende Prüfung iSd. § 164 AO, insbesondere eine Außenprüfung nicht ersetzen. Anderenfalls könnte der Steuerpflichtige schlicht durch Einlegung eines Einspruchs den Vorbehalt entgegen dem Zweck des § 164 AO beseitigen (BFH vom 12.6.1980 IV R 23/79, BStBl. II 1980, 527; vom 16.10.1984 VIII R 162/80, BStBl. II 1985, 448). 

Die Vorbehaltsfestsetzung und das Einspruchsverfahren laufen somit als getrennte Verfahren nebeneinander (vgl. auch HEUERMANN in HHSp, AO/FGO, § 164 AO Rz. 16 und 21). Der Vorbehalt der Nachprüfung hindert nicht, dass ein Einspruch gegen die Steuerfestsetzung eingelegt werden kann. Der Einspruch hindert nicht, dass der Vorbehalt der Nachprüfung bestehen bleibt bzw. weitergilt.

Wird der VdN nicht ausdrücklich aufgehoben, bleibt er bestehen (BFH vom 16.10.1984 VIII R 162/80, BStBl. II 1985, 448). Änderungen sind weiterhin möglich. Es gibt keinen Vertrauensschutz, unabhängig davon, ob das Einspruchsverfahren durch Abhilfe oder EE beendet wurde und/oder die spätere Änderung aufgrund von Tatsachen erfolgt, die bereits bei Erlass der Vorbehaltsfestsetzung bekannt oder jedenfalls erkennbar waren (FG Schleswig-Holstein vom 6.3.2019 4 K 48/18; RÜSKEN in Klein, AO, 15. Aufl., 2020, § 164 Rz. 22).

Wenn die Finanzbehörde den Vorbehalt also bestehen lässt, entfaltet dieser weiter seine volle Wirkung und führt nicht zu einer Bindung an die Einspruchsentscheidung. Die Finanzbehörde kann den Bescheid weiterhin in vollem Umfang nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO ändern (CÖSTER in Koenig, AO, § 164 Rz. 85; Schwarz, § 164 Rz. 70; HEUERMANN in HHSp, § 164 Rz. 65; vgl. auch BFH vom 3.2.1987 IX R 255/84, BFH/NV 1987, 751; vom 11.12.1996 X R 228/93, BFH/NV 1997, 407). Finanzbehörde und Stpfl. können bei einer weiteren Änderung der Vorbehaltsfestsetzung und bei einer Aufhebung des Vorbehalts erneut um die im Einspruchsbescheid entschiedenen Fragen streiten. Gleiches gilt für einen Abhilfebescheid unter VdN: Auch ein erfolgreiches Einspruchsverfahren gegen einen Vorbehaltsbescheid führt nicht dazu, dass der Vorbehalt wegen abschließender Prüfung des Steuerfalls aufgehoben werden müsste (vgl. SPECKER in BeckOK AO, § 164 AO Rz. 260-264; FROTSCHER in Schwarz/Pahlke, § 164 AO Rz. 70; aA FG Köln vom 2.7.1980, EFG 1980, 474, das eine Bindung des FA an einen Abhilfebescheid bei unverändertem Sachverhalt aus Treu und Glauben annimmt, mE nicht überzeugend und iErg unzutreffend).

2. Einspruchsentscheidung mit Aufhebung des VdN

Der Vorbehalt der Nachprüfung ist aufzuheben, wenn im Einspruchsverfahren eine abschließende Prüfung iSd. § 164 Abs. 1 AO durchgeführt wird. Einer besonderen Begründung  bedarf die Aufhebung des VdN nicht. Insbesondere kann insoweit auch ein Verböserungshinweis nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO unterbleiben (BFH vom 10.7.1996 I R 5/96, BStBl. II 1997, 5). Denn die Aufhebung des Vorbehalts kann auch mit einer Einspruchsrücknahme nicht verhindert werden. Aus den gleichen Gründen bedarf es grds. keines Verböserungshinweises, wenn außer der Aufhebung des Vorbehalts zugleich die Steuer heraufgesetzt wird. Ausnahme: Würde mit der Rücknahme des Einspruchs Festsetzungsverjährung eintreten, ist ein Hinweis auf Verböserung erforderlich.

Gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit der Einspruchsentscheidung ist nicht der isolierte Einspruch, sondern die Klage gegeben.

Gegen eine EE ist grds. die Anfechtungsklage (§§ 40, 44 FGO), nicht aber erneut der Einspruch (§ 348 AO) zulässig. Das gilt auch, wenn der Steuerbescheid durch die Einspruchsentscheidung inhaltlich verändert worden ist, wozu das FA nach § 367 Abs. 2 AO berechtigt ist. Gegenstand der Anfechtungsklage ist nach § 44 Abs.2 FGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.

Zum Inhalt des Steuerbescheids gehört auch die Entscheidung der Finanzbehörde, ob die Steuerfestsetzung unter dem VdN oder vorbehaltlos ergeht. Die Beifügung des VdN ist eine unselbständige Nebenbestimmung zum Steuerbescheid, die nicht gesondert, sondern nur gemeinsam mit den übrigen Bestandteilen des VA angefochten werden kann. Bestätigt die EE die Vorbehaltsfestsetzung des FA oder wird der Nachprüfungsvorbehalt zulässigerweise erstmals in die EE aufgenommen, ist deshalb als Rechtsbehelf die Anfechtungsklage zum FG gegeben (vgl. BFH vom 12.6.1980 IV R 23/79, BStBl. II 1980, 527; vom 30.10.1980 IV R 169-170/79, BStBl. II 1981, 150). Die Entscheidung über die Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts ist Teil der Einspruchsentscheidung und nicht ein gesonderter Verwaltungsakte, der selbständig angefochten werden könnte.

Gleiches gilt für den Fall, dass das FA den VdN in der EE aufhebt. Auch hierbei handelt es sich um einen unselbständigen Teil der EE, die untrennbar mit der EE verbunden ist und nicht gesondert mit dem Einspruch angefochten werden kann (vgl. BFH vom 4.8.1983 IV R 216/82, BStBl. II 1984, 85; bestätigt durch BFH vom 3.9.2009 IV R 17/07, BStBl. II 2010, 631; siehe auch OELLERICH in Gosch, AO/FGO, § 164 AO Rz. 141; SEER in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 164 Rz. 59).

Prof. Dr. Burkhard Binnewies
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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