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Vorsicht bei Stiftungsgründungen von Todes wegen
In der Praxis finden neben lebzeitigen Stiftungsgründungen auch Stiftungsgründungen von Todes wegen (§ 83 BGB) statt. Diese können mitunter - zB durch Auseinandersetzungen mit vermeintlich benachteiligten Erben und Angehörigen streitbehaftet sein. Dass unter Umständen auch Haftungs- und Kostenrisiken entstehen können, zeigen zwei aktuelle Urteile des BFH vom 6.6.2019 (V R 50/17, BStBl. II 2019, 782) und 13.11.2019 (V R 30/16, BFH/NV 2020. 342)): Der BFH hat entschieden, dass die Körperschaftsteuerpflicht einer solchen Stiftung bereits mit dem Tode des Stifters beginnt, wohingegen eine rückwirkende Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit ohne eigenständige steuerrechtliche Anordnung nicht in Betracht kommt.
Die Körperschaftsteuerpflicht einer rechtsfähigen Stiftung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG) beginnt grundsätzlich mit deren zivilrechtlich wirksamen Gründung, wozu gem. § 80 Abs. 1 BGB das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die zuständige Landesbehörde zählen. Zum Zeitpunkt des Todes des Stifters wäre die Stiftung von Todes wegen dem Grunde nach aufgrund deren fehlenden Anerkennung weder rechtlich existent noch könnte sie aufgrund der fehlenden Erbfähigkeit (§ 1923 Abs. 1 BGB) als Erbin Vermögen vom Stifter im Erbgang erwerben. Diese Lücke schließt jedoch § 84 BGB: Wird danach die Stiftung erst nach dem Tode des Stifters als rechtsfähig anerkannt, so gilt sie für die Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden. Diese zivilrechtliche Rückwirkungsfiktion gilt auch im Steuerrecht, so dass die Körperschaftsteuerpflicht der Stiftung von Todes wegen korrespondierend zu der vorverlagerten zivilrechtlichen Existenz rückwirkend auch schon mit dem Tode des Stifters beginnt (BFH vom 6.6.2019 V R 50/17, Rz. 13 - 14, BStBl. II 2019, 782).
Diese Rückwirkung gilt aber nicht automatisch auch für die Steuerbefreiung: Eine Stiftung (von Todes wegen) ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG in Verbindung mit §§ 51 ff. AO dann körperschaftsteuerbefreit, wenn sie im betreffenden Veranlagungszeitraum nach ihrer Satzung bzw. ihrem Stiftungsgeschäft und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten Zwecken diente. In den betreffenden Streitjahren fehlte es an einer gemeinnützigkeitskonformen Stiftungssatzung samt satzungsmäßiger Verankerung des steuerbegünstigten Stiftungszwecks sowie der Vermögensbindung. In diesem Zusammenhang stellte der V. Senat in seinen Urteilen fest, dass sich die zivilrechtliche Rückwirkungsfiktion des § 84 BGB nicht auf die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG auswirke. Die Rückwirkungsfiktion fingiere das rechtliche Entstehen der Stiftung als juristische Person nur für Zuwendungen des Stifters vor dessen Tode. Eine Ausdehnung dieser Rückwirkungsfiktion auf die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG komme ohne eine eigenständige steuerrechtliche Anordnung der Rückwirkung nicht in Betracht. Vielmehr müsse der nach § 60 Abs. 2 AO steuererhebliche Sachverhalt während des ganzen Veranlagungszeitraums gegeben sein. Der zeitig später veränderte Sachverhalt (Satzung infolge der Anerkennung) sei nicht anstelle des zuvor in der Vergangenheit verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zu Grunde zu legen (BFH vom 6.6.2019 V R 50/17, Rz. 16 - 17, BStBl. II 2019, 782). Eine Rückwirkung könne allenfalls dann in Erwägung zu ziehen sein, wenn die steuerbegünstigte Zweckbindung – zwischen dem Tod des Stifters und der Anerkennung der Stiftung – sichergestellt sei, wofür jedenfalls der steuerbegünstigte Stiftungszweck hinreichend bestimmt sein muss (BFH vom 13.11.2019 V R 30/16, Rz. 15 - 17, BFH/NV 2020, 342).
Nach den Urteilen des BFH können der Beginn der Körperschaftsteuerpflicht einer Stiftung von Todes wegen und deren Steuerbefreiung zeitlich (uU erheblich) auseinander: Die Körperschaftsteuerpflicht beginnt bereits rückwirkend mit dem Tode des Stifters, die Befreiung aufgrund der Gemeinnützigkeit hingegen erst deutlich später mit dem Vorliegen der Stiftungssatzung bzw. der Anerkennung durch die zuständige Landesbehörde. Dieses Ergebnis ist widersprüchlich: Wieso sollte die zivilrechtliche Rückwirkungsfunktion des § 84 BGB lediglich die Körperschaftsteuerpflicht rückwirkend entstehen lassen, hingegen für die Voraussetzungen der Körperschaftsteuerbefreiung keine Anwendung finden? Der Beginn der Körperschaftsteuerpflicht und der Beginn der Steuerbefreiung müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zeitlich vielmehr gleichlaufen. Nur dieser Gleichlauf verhindert ein nahezu willkürliches und unerwünschtes Auseinanderfallen von Steuerpflicht und Steuerbefreiung und entspricht dem Willen des Stifters und Erblassers, eine steuerbefreite Stiftung zu errichten.
Praxishinweis: Im Falle der vom Stifter ausdrücklich begehrten Errichtung einer Stiftung von Todes wegen gilt für die Beratung: Das Testament und die Stiftungssatzung sollten frühzeitig mit der für die Anerkennung zuständigen Landesbehörde und dem zuständigen Finanzamt abgestimmt werden. Insbesondere kann die gemeinnützigkeitsrechtlich anerkannte Stiftungssatzung dem Testament beigefügt werden. Unabhängig hiervon sollten potentielle Stifter stets auch auf die Vorteile der Stiftung zu Lebzeiten hingewiesen werden: Lebzeitige Stiftungen ermöglichen den steuerlichen Spendenabzug (§ 10b Abs. 1a EStG), zudem können der Stifter und/oder die von ihm ausgewählten Stiftungsorgane die Stiftungsarbeit noch zu Lebzeiten des Stifters „üben“ und mitgestalten, Geburtsfehler können leichter korrigiert werden. Und wer - vernünftigerweise noch nicht zu Lebzeiten allzu viele Eier in einen Korb legen möchte, kann mit einem überschaubaren Stiftungskapital beginnen und testamentarisch die so bereits errichtete Stiftung als Erbe oder Vermächtnisnehmer bedenken. Die Steuerfreiheit ab Vermögensanfall ist in diesem Falle unkompliziert.