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Umsatzsteuer: BFH-Knaller zum Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Gegenständen
Der BFH zweifelt, ob seine bisherige restriktive Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug bei teilunternehmerisch, dh. gemischt genutzten Gegenständen mit dem EU-Recht vereinbar ist (vgl. Pressemitteilung des BFH Nr. 5 vom 30.1.2020). Daher hat der BFH in zwei anhängigen Revisionsverfahren den EuGH um Klärung gebeten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18.9.2019 XI R 3/19, nv. (juris), und XI R 7/19, DStR 2020, 220). Für Berater und betroffene Steuerpflichtige besteht daher bereits jetzt Handlungsbedarf.
Worum geht es?
Im ersten Verfahren errichtete der Steuerpflichtige ein Einfamilienhaus, das er teils privat und teils unternehmerisch im Wege eines Arbeitszimmers nutzte. Im zweiten Verfahren errichtete der Steuerpflichtige eine Photovoltaikanlage. Den hierüber erzeugten Strom nutzte er teils für private Zwecke und teils für unternehmerische Zwecke, indem er einen Teil des Stroms gegen Entgelt in ein Stromnetz bei einem Energieversorger einspeiste. In beiden Verfahren begehren die Steuerpflichtigen einen Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten.
Streitpunkt
Strittig ist, ob den Steuerpflichtigen ein solcher (anteiliger) Vorsteuerabzug aus der Errichtung des Arbeitszimmers (inkl. des darauf entfallenden Grundstücks- und Gebäudeanteils) bzw. der Photovoltaikanlage zusteht. In beiden Fällen hatten die Steuerpflichtigen erstmalig den Vorsteuerabzug im Rahmen einer Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr der Errichtung des Arbeitszimmers bzw. der Photovoltaikanlage geltend gemacht. Diese Umsatzsteuerjahreserklärung wurde jeweils erst nach dem 31.5. des Folgejahres der Errichtung des Arbeitszimmers bzw. der Photovoltaikanlage beim Finanzamt eingereicht. Daher versagte das Finanzamt - gestützt auf die bisherige BFH-Rechtsprechung - jeweils den Vorsteuerabzug wegen einer verfristeten Zuordnung der Gegenstände (Arbeitszimmer/Photovoltaikanlage) zum Unternehmensvermögen.
Bisherige BFH-Rechtsprechung
Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung steht dem Unternehmer bei teilunternehmerisch, dh. gemischt genutzten Gegenständen ein Zuordnungswahlrecht zu: Er kann den Gegenstand insgesamt oder teilweise seinem Unternehmen zuordnen oder in vollem Umfang in seinem Privatvermögen belassen. Nur bei Zuordnung des Gegenstands zum Unternehmensvermögen besteht eine Vorsteuerabzugsberechtigung (bei Grundstücken nur im Umfang der unternehmerischen Nutzung, vgl. § 15 Abs. 1b UStG).
Diese Entscheidung über das Zuordnungswahlrecht erfordert - so bisher der BFH - als innere Tatsache eine durch äußere Beweisanzeichen belegte rechtzeitige Entscheidung des Unternehmers, die spätestens und mit endgültiger Wirkung bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen zu treffen ist, dh. bis zum 31.5. des Folgejahres der Anschaffung/Herstellung für Steuerjahre bis zum 31.12.2017 bzw. bis zum 31.7. des Folgejahres für Steuerjahre ab dem 1.1.2018. Unterlässt der Steuerpflichtige eine solche rechtzeitige Zuordnungsentscheidung, wie in den Streitfällen, unterstellt der BFH unwiderlegbar eine vollständige Zuordnung zum Privatvermögen und versagt daher endgültig einen Vorsteuerabzug.
Zweifel des BFH
Der BFH hat nunmehr Zweifel, ob seine bisherige Rechtsprechung im Einklang mit dem EU-Recht steht aufgrund einer EuGH-Entscheidung zu einem ähnlich gelagerten Fall für die öffentliche Hand (vgl. EuGH-Urteil vom 25.7.2018 C-140/17 „Gmina Ryjewo“, DStRE 2019, 379). Danach ist es - so jetzt der BFH - zweifelhaft, ob für den Vorsteuerabzug eine Ausschlussfrist für die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmensvermögen vorgesehen werden darf und ob es überhaupt einer Zuordnungsentscheidung durch den Unternehmer für den Vorsteuerabzug bedarf, wenn die unternehmerische Nutzung objektiv belegt ist, wie zB in den Streitfällen: Hier ergab sich die unternehmerische Nutzung des Arbeitszimmers möglicherweise hinreichend aus den Bauplänen. Bei der Photovoltaikanlage hatte der Steuerpflichtig bereits im Errichtungsjahr einen Einspeisevertrag abgeschlossen.
Beraterhinweise: In seiner Pressemitteilung vom 30.1.2020 weist der BFH zu Recht darauf hin, dass ein erleichterter Vorsteuerabzug besteht, falls der EuGH die bisherige BFH-Rechtsprechung als zu restriktiv erachten sollte. In seinen oa. Beschlüssen vom 18.9.2019 führt der BFH selbst Gründe an, weshalb seine bisherige Rechtsprechung gegen EU-Recht verstoßen könnte. Berater und davon betroffene Steuerpflichtige können daher bereits heute unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese BFH-Beschlüsse einen Vorsteuerabzug für alle offenen Umsatzsteuerjahre „nachträglich“ geltend machen bzw. diesen begründen, der aus Sicht der Finanzverwaltung aufgrund der oa. bisherigen restriktiven BFH-Rechtsprechung nicht möglich war. Steuerberater sollten sogar ihre hiervon betroffenen Mandanten bereits jetzt darauf hinweisen, wenn sie sicher etwaige Haftungsfälle in der Zukunft vermeiden wollen, falls der EuGH eine für den Steuerpflichtigen günstige Entscheidung erlassen sollte. Denn der oa. BFH-Beschluss vom 18.9.2019 XI R 7/19 ist bereits in der DStR veröffentlicht worden, so dass der Steuerberater - nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte - diese Entscheidung zu kennen und bei seiner Beratung zu berücksichtigen hat. Umgekehrt lassen sich vermeintlich bereits eingetretene Haftungsfälle mit den neuen BFH-Entscheidungen möglicherweise abwenden.