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Umsatzsteuer: Aktuelles zum Unterricht an Schulen und Kitas

Pünktlich zum Schul- und Kitastart hat der BFH neue Urteile zur Umsatzbesteuerung im Bildungsbereich veröffentlicht. Trotz der strengen Vorgaben des EuGH, an die der BFH gebunden ist, sieht der BFH mehr Möglichkeiten zur Umsatzsteuerbefreiung als es mitunter bisher die Finanzverwaltung annimmt. Dies betrifft insbesondere den sogenannten ergänzenden Unterricht, zB Präventionskurse, von privaten Anbietern an Schulen und Kitas, wie der BFH jüngst entschieden hat (BFH vom 15.12.2021 XI R 3/20, DStR 2022, 1428). Allerdings sind hierzu auch die gesetzlichen Neuerungen seit dem 1.1.2020 zu beachten. Betroffene sind daher gut beraten, ihre umsatzsteuerliche Situation zu überprüfen. 

I. Problemfälle

1. Der übliche Unterricht an öffentlichen und an privaten Schulen (Ersatz- und Ergänzungsschulen sowie allgemein bildende oder berufsbildende Einrichtungen) sowie an Kitas unterliegt regelmäßig nicht der Umsatzsteuer. Auch beim Nachhilfeunterricht nimmt die Finanzverwaltung weiterhin an, dass dieser unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 UStG umsatzsteuerfrei erteilt werden kann (vgl. Abschn. 4.21.2 Abs. 1 Satz 1 UStAE).

2. Problematisch ist jedoch ua. der sogenannte ergänzende Unterricht, dh. Kurse für Kinder und Jugendliche, in und außerhalb von Hochschulen, Schulen und Kindertagesstätten, die punktuell von privaten Anbietern gegen Entgelt, das die Eltern oder die Bildungsstätte tragen, erbracht werden. 

3. Denn entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH hat der EuGH nun in ständiger Rechtsprechung entschieden: Ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht ist kein umsatzsteuerfreier Schul- und Hochschulunterricht iSd. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (vgl. EuGH vom 21.10.2021 C-373/19 „Dubrovin & Tröger – Aquatics“, DStR 2021, 2524; EuGH vom 7.10.2019 C-47/19 „Finanzamt Hamburg-Barmbek-Uhlenhorst“, DStR 2019, 2417). Daran ist der BFH gebunden, so dass neuerdings zB der Segel-, Surf-, Schwimm-, Judo- oder Tennisunterricht von privaten Anbietern nicht mehr ohne Weiteres umsatzsteuerfrei ist (vgl. zuletzt BFH vom 15.12.2021 XI R 31/21 (XI R 6/18), und BFH vom 29.3.2022 XI B 72/21, jeweils nv. (juris), sowie unseren Newsletter vom 28.10.2021: steueranwalt.de/news/schwimm-und-sportunterricht-keineswegs-stets-umsatzsteuerpflichtig/.

II. Entscheidungsfall „Konfliktpräventionskurse“

Gleichwohl sieht der BFH im Besprechungsurteil weiterhin die Möglichkeit, dass zB Konfliktpräventionskurse von privaten Anbietern an Schulen und Kindertagesstätten umsatzsteuerfrei erbracht werden können mit folgender Begründung (BFH vom 15.12.2021 XI R 3/20, DStR 2022, 1428) :

1. Solche Kurse seien zwar aufgrund der Vorgaben des EuGH als spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht kein steuerfreier Schul- und Hochschulunterricht iSd. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. 

2. Nach den Vorgaben des EU-Rechts sei jedoch auch die Erziehung von Kindern und Jugendlichen iSd. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerfrei zu stellen, zu denen solche Präventionskurse gehören könnten. Denn die Erziehung umfasse nicht nur Wissensvermittlung, sondern nach bisheriger Rechtsprechung auch Willens- und Charakterbildung sowie nach der Ansicht des nationalen Gesetzgebers ua die gesamte geistige, sittliche undn körperliche Erziehung, eine altersgerechte Sprach- und Wissensvermittlung sowie die Vermittlung von sozialen Kompetenzen und Werten.

3. Ferner sei auch eine Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL denkbar, wonach von Privatlehrern erteilter Unterricht, der sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehe, steuerfrei zu stellen sei.

4. Auch eine Steuerbefreiung nach den Vorgaben des § 4 Nr. 21 UStG sei unter den dort genannten Voraussetzungen nicht auszuschließen, die jedoch im Streitfall aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht erfüllt seien. Deshalb komme es im Entscheidungsfall auf die vorgenannten Befreiungen der MwStSystRL an, die berufungsfähig seien.

Der BFH hat daher die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, mit der das Finanzgericht die Versagung der Umsatzsteuerbefreiung durch die Finanzbehörde bestätigt hatte. Da das Finanzgericht den maßgeblichen Sachverhalt in Bezug auf die oben ausgeführten denkbaren Befreiungsmöglichkeiten noch nicht aufgeklärt hatte, verwies der BFH die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurück. 

III. Stellungnahme 

1. Der BFH nimmt zu Recht an, dass ein solcher ergänzender Unterricht von privaten Anbietern, wie zB Präventionskurse, umsatzsteuerfrei sein kann, sowohl nach dem nationalen Recht (dh. dem UStG) als auch nach dem europäischem Recht (dh. der MwStSystRL). 

2. Dies gilt uE auch für den Sportunterricht von privaten Anbietern, auch soweit die Anbieter nicht gemeinnützig sind, wie es die Finanzverwaltung bisher fordert (vgl. Abschn. 4.22.1 UStAE). 

3. Für beides sind die Hürden der Steuerbefreiung aufgrund der oben dargelegten Vorgaben des EuGH jedoch größer geworden. Die Rechtslage hierzu ist noch nicht abschließend geklärt. 

4. Für die Besteuerungszeiträume seit dem 1.1.2020 kommt erschwerend hinzu: Die Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der Erziehung von Kindern und Jugendlichen (dh. Personen, die noch nicht 27 Jahre alt sind) gilt für private Anbieter nur, soweit es sich um sogenannte Einrichtungen ohne Gewinnstreben handelt, dh. private Anbieter, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, und sofern Gewinne dennoch anfallen, die Gewinne für ihre steuerbegünstigten Leistungen verwenden (vgl. § 4 Nr. 23 Satz 1 Buchst. a) und Satz 3 UStG in der Fassung seit dem 1.1.2020). Hierunter fallen gemeinnützige Organisationen, aber unter bestimmten Umständen auch nicht gemeinnützige Organisationen (vgl. BFH vom 1.4.2022 V R 48/20 (V R 20/17), UR 2022, 459 mit dortiger Anmerkung von ALVERMANN/ESTEVES GOMES).

5. Soweit ein berufsbezogener Bezug des ergänzenden Unterrichts besteht, existieren erweiterte Möglichkeiten der Steuerbefreiung.

Fazit: Die Beurteilung von Bildungsleistungen privater Anbieter auch im Umfeld von Schulen und Kitas bleibt umsatzsteuerlich weiterhin ein Flickenteppich und bedarf stets einer konkreten Einzelfallprüfung. 
 

Cristian Esteves Gomes
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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