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Streck Mack Schwedhelm erstreitet Beschluss zu ernstlichen Zweifeln an der Zinssatzhöhe

In unserem Newsletter vom 24.10.2018 hatten wir auf eine aktuelle Entscheidung des FG Münster (vom 31.8.2018 9 V 2360/18 E nv. (juris)) hingewiesen, das auf Grundlage der bekannten Entscheidung des IX. Senats (BFH vom 25.4.2018 IX B 21/18, BStBl. II 2018, 418) ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der §§ 237, 238 AO geäußert hat, soweit der einfachgesetzliche Zinssatz im Zeitraum vom 1.1.2014 bis 31.3.2015 über 0,25 % pro Monat betrug.

In einem von Streck Mack Schwedhelm erstrittenen Beschluss hat der VIII. Senat des BFH ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinssatzhöhe von 0,5 % pro Monat gem. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO nun sogar für Streitzeiträume ab November 2012 geäußert (BFH vom 3.9.2018 VIII B 15/18 nv. (juris)). Zur Begründung stellt der BFH klar, dass sich die vom IX. Senat geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsfestsetzungen gem. § 233a AO auf den in § 238 Abs. 1 AO festgelegten Zinssatz beziehen und damit auch für Aussetzungszinsen gem. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO gelten.

Die Ausdehnung der ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit auf Streitzeiträume ab 2012 begründet der VIII. Senat mit anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahren (1 BvR 2237/14 für Zeiträume nach 2009 und 1 BvR 2422/17 für Zeiträume nach 2011). Die gegenteilige Auffassung des III. Senats zur Verfassungsmäßigkeit des § 238 Abs. 1 AO (BFH vom 9.11.2017 III R 10/16, BStBl. II 2018, 255) stehe zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung an. Schließlich überwiege das berechtigte Interesse der Antragsteller an der AdV bei Abwägung der Interessen mit denjenigen des Fiskus, weil die schwerwiegenden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit über das Maß an Zweifeln hinausgehe, welches üblicherweise von der Rechtsprechung für die Gewährung der AdV für erforderlich angesehen werde. Ferner sei weder dargelegt  noch ersichtlich, dass eine AdV im Streitfall das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung berühren könne; vielmehr sei davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber die Notwendigkeit einer Anpassung der Zinshöhe bekannt sei.

Praxisempfehlung: Die Finanzverwaltung wendet den Beschluss des IX. Senats für Verzinsungszeiträume ab dem 1.4.2015 auf Antrag des Zinsschuldners an, sofern gegen die Zinsfestsetzung Einspruch eingelegt wurde (BMF-Schreiben vom 14.6.2018 IV. A 3-S 0465/18/10005/01, BStBl. I 2018, 722). Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung das Schreiben nunmehr auch auf Streitzeiträume ab November 2012 ausdehnt. Jedenfalls sollte gegen sämtliche Zinsfestsetzungen, die auf § 238 Abs. 1 AO gestützt werden, Einspruch eingelegt werden. Durch den Beschluss des VIII. Senats sind die Chancen, bis zu einer Entscheidung in den beim BVerfG anhängigen Verfahren eine Aussetzung der Vollziehung für Zeiträume ab 2012 zu erhalten, deutlich gestiegen.

Dr. Herbert Olgemöller
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Christian Bertrand
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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