Der Zehnt Aktuell

Mit unserem wöchentlichen Newsletter informieren wir Sie im Bereich Steuerrecht über aktuelle Themen, Entscheidungen und Kanzlei-News.

Newsletter abonnieren >

 

Streck Mack Schwedhelm erstreitet Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke

Soll eine unternehmerische Tätigkeit in Deutschland aufgenommen oder wiederbegründet werden, sind die steuerliche Registrierung und die Erteilung der Steuernummer von elementarer Bedeutung, denn ohne Steuernummer können insbesondere keine rechtskonformen Rechnungen gestellt werden, die dem Empfänger den Vorsteuerabzug ermöglichen. Die Finanzverwaltung versagt die Registrierung von Unternehmern und die Erteilung der Steuernummern regelmäßig, wenn die Unternehmer in der Vergangenheit steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen sein sollen. Diesem Vorgehen der Finanzämter ist der BFH nun in einer von Streck Mack Schwedhelm erstrittenen Entscheidung entgegengetreten.

Der V. Senat des BFH hat in dem jüngst veröffentlichten Beschluss vom 17.7.2019 (V B 28/19) entschieden, dass Unternehmern im Sinne des § 2 UStG ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke zusteht, der sich mittelbar ua. aus § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG, § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG ergibt.

Die Erteilung der Steuernummer dient danach nicht nur dem Zweck der verwaltungstechnischen Erfassung von Steuerpflichtigen und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens, sondern ist - nach dem BFH -  insbesondere auch Voraussetzung für eine selbstständige gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG: Die Steuernummer ermöglicht somit überhaupt die freie Berufsausübung gem. Art. 12 Abs. 1 GG und gewährleistet die (rechtliche bzw. rechtskonforme) Handlungsfähigkeit des Unternehmers, so dass die Versagung der Erteilung einer Steuernummer - objektiv berufsregelnd - wie ein Tätigkeitsverbot wirkt (BFH vom 17.7.2019 V B 28/19, Rz. 19 f.).

Die Versagung der Steuernummer kann deswegen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zulässig sein, wenn die Steuernummer offensichtlich zur Hinterziehung von Umsatzsteuern missbraucht werden soll. Es müssen also konkrete und belastbare Anzeichen vorliegen, nach denen objektiv davon auszugehen ist, dass es wahrscheinlich ist, dass die dem Steuerpflichtigen zugeteilte Steuernummer in betrügerischer Weise verwendet werden wird (vgl. dazu EuGH vom 14.3.2013 C-527/11 „Ablessio“, DStRE 2013, 1190).

In dem zugrunde liegenden Fall versagte sowohl das Finanzamt als auch das FG Berlin-Brandenburg dem Steuerpflichtigen zunächst den Anspruch auf Erteilung einer Steuernummer: Die Zulässigkeit der Ablehnung ergebe sich durch die vom Steuerpflichtigen in der Vergangenheit gezeigte steuerliche Unzuverlässigkeit (Verletzung steuerlicher Pflichten), so dass - nach dem FG Berlin-Brandenburg - davon ausgegangen werden könne, dass die künftige unternehmerische Tätigkeit des Steuerpflichtigen eine Umsatzsteuerverkürzung bzw. einen Umsatzsteuerausfall zur Folge hätte (FG Berlin-Brandenburg vom 10.1.2019 7 V 7203/18, EFG 2019, 397, Rz. 27).

Der V. Senat des BFH teilte diese Auffassung nicht: Ein offensichtlicher Missbrauchsfall sei durch das Verhalten in der Vergangenheit nicht gegeben (BFH vom 17.7.2019 V B 28/19, Rz. 22). Es reicht nach Auffassung des V. Senats des BFH - entgegen der Ansicht des FG Berlin-Brandenburg und des Finanzamts - für die Versagung der Erteilung einer Steuernummer nicht aus, dass der Steuerpflichtige in der Vergangenheit steuerlich unzuverlässig war: Insbesondere die Nichtentrichtung von Steuern rechtfertigt für sich alleine nicht die Verweigerung der Erteilung einer Steuernummer. Vergangenes Verhalten kann nur dann berücksichtigt werden, wenn hieraus auf die konkrete Möglichkeit einer zukünftigen Steuerhinterziehung zu schließen ist, so zB im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 AO und der konkreten Gefahr („konkret abzeichnet“) einer erneuten derartigen Tatbegehung.

Praxishinweis: Der V. Senat des BFH betont in seinem Beschluss vom 17.7.2019 die Bedeutung der Steuernummer für die rechtliche Handlungsfähigkeit bzw. ein rechtskonformes Verhalten des Unternehmers. Er stellt begrüßenswerterweise klar, dass das Finanzamt die Erteilung einer Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke nicht mit dem bloßen Hinweis auf eine vergangene steuerliche Unzuverlässigkeit ablehnen kann, selbst wenn in der Vergangenheit steuerliche Pflichten verletzt und bspw. Steuern nicht entrichtet worden sind. Der BFH stellt sogar ausdrücklich infrage, ob das steuerliche Verhalten des Unternehmers in der Vergangenheit überhaupt die Versagung der Steuernummer begründen kann, denn erst durch die Steuernummer wird dem Unternehmer zukünftig rechtskonformes Verhalten ermöglicht. Vergangenes Verhalten des Steuerpflichtigen kann danach nur dann relevant werden, wenn daraus auf die konkrete Möglichkeit einer zukünftigen Steuerhinterziehung geschlossen werden kann, dh. im Falle der rechtskräftigen Verurteilung zur Steuerhinterziehung und der konkreten Gefahr (nicht abstrakte Gefahr!) einer erneuten derartigen Tatbegehung. Gegen eine Versagung der Erteilung der Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke durch die Finanzbehörden sollte daher nach diesen Maßstäben regelmäßig mit guten Erfolgsaussichten - ggf. im einstweiligen Rechtsschutzverfahren - vorgegangen werden.

Dr. Alexander Ruske
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Partner
LinkedIn