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Die Steuerhaftung des Prozessbevollmächtigten
Äußerst gefährlich in steuerlichen Haftungsverfahren ist die an versteckter Stelle geregelte Vorschrift des § 166 AO. Liegen dessen Voraussetzungen vor, kann der im Wege der Haftung in Anspruch genommene keine Einwendungen mehr gegen die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung als Primärschuld vorbringen. Vielmehr muss er diese sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gegen sich gelten lassen (sog. Präklusionswirkung). Wie weitreichend die Regelung ist und auch den eigenen Rechtsschutz von Prozessbevollmächtigten, insbesondere also Rechtsanwälten und Steuerberatern, beschneiden kann, verdeutlicht eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des BFH (Az. V R 68/17).
Das Finanzamt nahm den Kläger, einen Rechtsanwalt, als Haftungsschuldner für Steuerschulden einer KG gemäß § 191 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 171 Abs. 1 HGB in Anspruch. Der Kläger hatte bislang seine Kommanditeinlage noch nicht vollständig einbezahlt. Mangels Umsatzsteuererklärung der KG schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen. Der Umsatzsteuerbescheid war Gegenstand eines erfolglosen Klageverfahrens beim FG. Die gegen das Urteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde von der KG als Beschwerdeführerin zurückgenommen. Bevollmächtigter der Steuerschuldnerin im Verfahren vor dem BFH war der Kläger.
Das Finanzamt erließ gegen den Kläger im Hinblick auf seine noch nicht vollständig geleistete Kommanditeinlage einen Haftungsbescheid. Einspruch und Klage zum FG gegen den Haftungsbescheid hatten keinen Erfolg. Nach dem Urteil des FG erstrecke sich die Drittwirkung der unanfechtbar gewordenen Umsatzsteuerfestsetzung gegen die KG gemäß § 166 AO auch auf den Kommanditisten, der als Prozessbevollmächtigter der KG in dem gegen den Steuerbescheid geführten Rechtsmittelverfahren aufgetreten ist. Dieser habe keine gegenteilige Weisung der KG nachgewiesen.
Die Revision des Klägers war unbegründet. Das FG habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger mit seinen Einwendungen gegen die Steuerschuld präkludiert sei. Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so habe dies nach § 166 AO neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. § 166 AO setze voraus, dass der Vertreter oder Bevollmächtigte zu einer Anfechtung „in der Lage gewesen wäre“. Erforderlich sei daher, dass er aufgrund des Vertretungsverhältnisses zur Anfechtung rechtlich in der Lage gewesen sei. Dies komme für den Kläger vorliegend zwar nicht in seiner Eigenschaft als nicht geschäftsführungs- oder vertretungsbefugter Kommanditist in Betracht, sei jedoch aufgrund seiner Stellung als Rechtsanwalt und damit als Bevollmächtigter zu bejahen. Der Einwendungsausschluss nach § 166 AO könne nämlich auch zulasten eines vom Steuerpflichtigen beauftragten - und für die Steuerschuld haftenden - Rechtsanwalts wirken, wenn er mangels entgegenstehender Weisung in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Bevollmächtigter anzufechten. Der erkennende Senat habe dabei zwar nicht abschließend zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein weisungsgebundener Bevollmächtigter zur Anfechtung „in der Lage gewesen wäre“. Im Streitfall sei daher maßgeblich, dass das FG den Kläger vor der mündlichen Verhandlung auf die Bedeutung der Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach § 166 AO hingewiesen habe, dieser seinen Vortrag zu einer ihm erteilten Weisung aber weder konkretisiert noch glaubhaft gemacht habe.
Beraterhinweis: Das Urteil verdeutlicht, wie weitreichend im steuerlichen Haftungsverfahren die Vorschrift des § 166 AO zur Drittwirkung der Steuerfestsetzung ist. Konnte der Haftende den Steuerbescheid angreifen, und sei es auch nur als (Prozess-)Bevollmächtigter, lässt er ihn aber bestandskräftig werden, muss er sich im Haftungsverfahren dessen Bestandskraft und Richtigkeit entgegenhalten lassen. Unbenommen bleibt ihm, Einwendungen gegen seine eigene Inanspruchnahme als Haftender geltend zu machen.
Prozessbevollmächtigten, die als Haftende für eine im Steuerstreit stehende Steuerschuld in Betracht kommen (zB weil ihnen als Steuerberater der Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemacht werden könnte, vgl. § 71 AO), ist deswegen auch unter dem Gesichtspunkt der Steuerhaftung dringend zu empfehlen, ausreichend Beweisvorsorge im Hinblick auf Weisungen des Steuerpflichtigen zu treffen, um diese dann gegenüber dem Finanzamt bzw. Finanzgericht glaubhaft vorbringen und belegen zu können.